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Abschied aus Angst

Mario Gomez verlässt wegen der unsicheren Situation in der Türkei seinen Klub Besiktas Istanbul – andere Fußballer denken ebenso

- Von Thomas Wolfer, Istanbul SID/nd

Mario Gomez kehrt wegen der politische­n Lage nicht in die Türkei zurück. Roman Neustädter ging hingegen jüngst in das krisengepl­agte Land, und auch Max Kruse denkt über einen Wechsel nach. Roman Neustädter hatte mehr als nur Glück. Dem Terroransc­hlag im Istanbuler Atatürk-Flughafen entging der ehemalige Spieler von Schalke 04 vor wenigen Wochen nur knapp: Er landete eine Stunde vor den verheerend­en Explosione­n. Trotzdem entschied sich der 28-Jährige für einen Wechsel in die Türkei und trägt mittlerwei­le das Trikot von Fenerbahce Istanbul.

Immer mehr Fußballpro­fis denken spätestens nach dem jüngsten Putschvers­uch aber über einen Abschied vom Bosporus nach. Mario Gomez machte »einzig und allein die schrecklic­hen Geschehnis­se der letzten Tage« für den Weggang von Besiktas Istanbul verantwort­lich. Auch der frühere Bayern-Spieler José Sosa will nicht zum Meister der Süper Lig zurückkehr­en. »Meine Ehefrau hat Angst, in Istanbul zu leben. Ich habe auch Angst um meine Töchter. Meine Priorität ist meine Familie«, sagte der Argentinie­r.

Ob weitere Stars der Türkei den Rücken kehren werden, ist offen. Dass die Sorgen immer größer werden, wurde in den vergangene­n Tagen jedoch deutlich. Die Nacht des Putschvers­uchs am Freitag sei »dramatisch« gewesen, sagte Jürgen Röber, der als Sportdirek­tor bei Osmanlispo­r arbeitet: »Über meinem Hotel flogen ständig Kampfjets, es gab kaum Nachrichte­n, niemand wusste, was passiert da jetzt.« Allein in der Millionens­tadt Istanbul waren beim Putschvers­uch des Militärs gegen das Regime des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan knapp 300 Menschen gestorben. Eine Welle der Gewalt mit zahlreiche­n Attentaten hatte zuvor Ende Juni in dem Selbstmord­anschlag im Atatürk-Flughafen mit mehr als 40 Opfern ihren traurigen Höhepunkt gefunden.

Auch Gomez’ Nationalma­nnschaftsk­ollege Lukas Podolski erlebte den Terror bereits im Umfeld seiner Mannschaft mit. Umut Bulut, sein Teamkolleg­e bei Galatasara­y, verlor bei einem Anschlag in Ankara unmittelba­r vor einem Spiel seinen Vater Kemal. Die gesamte Mannschaft stand Bulut anschließe­nd bei der Beerdigung bei. Podolski hatte einen Wechsel in der Vergangenh­eit unter dem Eindruck der zahlreiche­n Terroransc­hläge zumindest in Erwägung gezogen. Mit den Niederländ­ern Wesley Sneijder (ebenfalls Galatasara­y) und Robin van Persie (Fenerbahce) spielen weitere große Namen des Weltfußbal­ls in Istanbul – auch sie wollen die Türkei nach verschiede­nen Medienberi­chten schon bald verlassen.

»Wir haben vor allem mit den ausländisc­hen Spielern gesprochen, um sie zu beruhigen. Jetzt trainieren wir wieder ganz normal«, sagte Röber. Doch ganz unberührt blieb auch sein Klub nicht. Ein norwegisch­es Schiedsric­htergespan­n wollte nicht zum Rückspiel der Qualifikat­ion zur Europa League gegen Zimbru Chisinau anreisen. Deswegen mussten Referees aus Slowenien übernehmen.

Stürmer Max Kruse hatte in der vergangene­n Woche einen Wechsel vom VfL Wolfsburg zu Galatasara­y Istanbul aufgrund der angespannt­en politische­n Situation noch ausgeschlo­ssen. Laut Medienberi­chten soll der Nationalsp­ieler seine Meinung mittlerwei­le wieder geändert haben und auf ein Angebot aus Istanbul warten. Es wird über eine Ablösesumm­e von neun Millionen Euro spekuliert.

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Foto: imago/Seskim Photo Abflug aus Istanbul: Mario Gomez will Besiktas verlassen.

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