Es geht trumpistisch zu
Die extreme Rechte schwimmt auf dem Parteitag der Republikaner in Cleveland wie der Fisch im Wasser
Donald Trump hat es geschafft: Er ist der Kandidat der Republikaner für die Wahl zum US-Präsidenten. »Amerika zuerst« lautet seine Botschaft. Als Donald Trump am Donnerstagabend die Bühne betritt, brodelt die Menge. »USA, USA, USA«, »Trump, Trump, Trump« skandieren die Delegierten und erheben sich. Gerade hatte ihn seine Tochter Ivanka, vom Teleprompter abgelesen, vorgestellt. Ihr Vater sei »farbenblind und genderneutral« – der Versuch, doch noch Stimmen von US-amerikanischen Frauen, die den Sexisten Trump mehrheitlich ablehnen, für sich zu gewinnen. Die Rede ihres Vaters dauert fast eineinhalb Stunden. »Niemand kennt das System besser als ich«, sagt der Immobilienmogul, Reality-TVStar und Milliardär, »deshalb kann nur ich es reparieren«. Er verspricht »Amerikanismus statt Globalismus«, wenn er Präsident wird. Unter seiner Regie würden zuallererst Law and Order im Land gegen illegale Immigranten, Attacken auf die Polizei und Terroranschläge wiederhergestellt werden.
Nach einer halben Stunde schafft es die Aktivistin Medea Benjamin von der linken feministischen Aktionsgruppe Code Pink, Trumps Rede für eine halbe Minute mit lauten Zwischenrufen zu unterbrechen. Dann wird sie von der Polizei festgenommen wird. Trump ruft: »Wie großartig ist unsere Polizei?« Und die Menge skandiert erneut »USA, USA«. Am Schluss geht alles seinen orchestrierten Gang: Tonnen von Konfetti und Zehntausende von Luftballons in den Nationalfarben ergießen sich über die Parteitagsarena. Die Show des rechten Populisten geht mit Umarmungen und Küsschen seiner Familienmitglieder und seiner engsten Berater zu Ende.
Ein Tag vor der Trump-Rede. »Das sind nicht mehr die Republikaner, das ist eine andere Partei«, sagt mit breitem texanischen Akzent der weißhaarige Byron Pearson, während einer Redepause in der Quicken-LoansArena. Der Texaner ist Republikaner, aber nicht stimmberechtigt wie seine Frau, eine offizielle Delegierte. Weil er als Ehemann und Gast nach Cleveland kam, unterliegt Pearson nicht der Fraktionsdisziplin und kann offen sprechen. »Trump ist ein Witz«, sagt er beim dritten Bier, »wir dagegen sind normale Konservative«. Für Pearson ist die »Republican Convention« die sechste, die er mit seiner Frau besucht. So wenige Gegendemonstrationen und relative Ruhe wie in Cleveland habe er noch nie erlebt, aber »so viel Misstrauen und Spannungen innerhalb der Partei auch nicht«, sagt er.
Nach außen hin handelt es sich bei der viertägigen Veranstaltung in Ohio um eine normale »Convention«. Auf solch einem Parteitag wird der Kandidat, der den Vorwahlsieg erzielt hat, zusammen mit dem von ihm ernannten Anwärter auf das Amt des Vizepräsidenten von den Delegierten gefeiert. Gleichzeitig kungeln Lobbyisten, Unternehmen und Politiker in Hinterzimmern politische und wirtschaftliche Deals aus. Ausgeschiedene Vorwahlkandidaten, ExPräsidenten und Hollywoodstars halten live vom Fernsehen ausgestrahlt Lobreden. Die Partei demonstriert Einheit, und alle erhoffen sich Schwung und gute Umfrageergebnisse für den Hauptwahlkampf. Byron Pearson, Republikaner der alten Schule aus Texas
Vieles ist in Cleveland 2016 anders. Der Gouverneur von Ohio, selbst im Vorwahlkampf ausgeschieden, kommt nicht. Firmenlogos fehlen. Ein paar abgehalfterte Rechte, die politisch nichts mehr zu verlieren haben, halten Ansprachen. Der einzige bekannte Filmstar ist ein wirrer Bartträger, der in der Reality-TV-Serie »Duck Dynasty« Enten abknallt. Und: Statt einer geeinten Partei, die sich hinter Trump und seinem Stellvertreter Mike Pence stellt, sind die wichtigsten Parteigranden Cleveland ferngeblieben. Die große Mehrzahl der Delegierten aus den einzelnen Bundesstaaten vertreten per Mandat die Trump-Wähler. 14 Millionen Repub- likaner hatten sich für den rechtspopulistischen Milliardär, dem zu Beginn des Vorwahlkampfs kaum Chancen eingeräumt wurden, entschieden. Entsprechend trumpistisch geht es vier Tage lang zu. »Sie haben keine Manieren und von Politik keine Ahnung«, meinen Republikaner alter Schule wie Byron Pearson.
Beides mag stimmen. Aber abgesehen von Stil- und Technikfragen unterscheiden sich die alten von den neuen Republikanern inhaltlich kaum. Abweichende Meinungen nach rechts außen und zur Mitte hin duldete die rechte Partei schon immer. Ein Unterschied ist, dass mit Trump und den Trumpisten erstmals ein ungehobelter, lauter und pöblerischer Stil Einzug gehalten hat – und damit auch Äußerungen, die bislang als politisch inkorrekt galten. Der politische Gegner, die Demokraten und Hillary Clinton wurden schon am ersten Tag von einem Pastor in einer Segnung vom Podium herab als »Feinde« bezeichnet. Als der Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, die Delegierten in einer einem Tribunal nachahmenden Rede nach ihrem Urteil über die Politik Clintons als Außenministerin befragt, tönt es tausendfach »schuldig« – mit dem aggressiven Zusatz »Sperrt sie ein«. Dazu passt, dass eines der beliebtesten T-Shirts die Aufschrift »Hillary for Prison 2016« trägt.
Ein weiterer Unterschied ist der Reichtum vom Trump. Er ist nicht auf die Spendengelder von anderen Reichen angewiesen. Seinen Anhängern gilt er deshalb als »Gewinner«, als »einer, der nie aufgibt«, als unkorrumpierbar und ehrlich. Als sein Sohn am Mittwoch von der Bühne in die Menge ruft: »Mein Vater braucht diesen Job (als Präsident) gar nicht«, erheben sich selbst Trump-Skeptiker und applaudieren frenetisch.
Auf der viertägigen »Convention« trieft es vor US-amerikanischem Nationalismus und vor Schelte für »die da oben« in Washington. Trumps Wahlkampfslogan »Make America Great Again« wird, um ihn in kleinen Häppchen konsumierbar zu machen, in vier Tagesmottos geteilt: Make America Safe (sicher), Work (Arbeit schaffen), First (Nummer eins) und One (einig) Again. Was dies im Konkreten für die Politik einer potenziellen Regierung Trump bedeute würde, darüber schweigen sich die Redner aus. Der gemeinsame Nenner ist die Feindschaft zu Hillary Clinton.
Die extreme Rechte schwimmt in Cleveland gleichzeitig wie der Fisch im Wasser. Ein gutes Dutzend bekannter weißer Rassisten und Neonazis, die ihre Botschaften im Radio und im Internet verbreiten, sind offiziell akkreditiert. Zwei senden live direkt aus der Arena. Draußen, jenseits der Polizeiketten, Stahlgitter und Betonblöcke, mit denen die Quicken-Loans-Arena abgeriegelt ist, können sich christliche Fundamentalisten und selbst bewaffnete Milizen ungestört austoben. Letztere nehmen das in Ohio geltende Recht auf das Zeigen von Waffen in Anspruch. »Killt die Schlampe«, ge- meint ist Clinton, zählt zur freien Meinungsäußerung.
Für Unruhe sorgt Ted Cruz, der Senator aus Pearsons Heimatstaat, der am Mittwochabend seine Rede unter den Buhrufen der Parteitagsmehrheit beenden musste. Cruz hatte sich geweigert, Trump seine Wahlkampfunterstützung zuzusagen, weil er »kein Schoßhündchen« sei. Trump hatte vor Monaten im Vorwahlkampf Cruz schwer beleidigt. Er behauptete, Cruz’ Vater sei an der Ermordung von John F. Kennedy beteiligt gewesen, und Cruz Frau Heidi sei hässlich.
Die Rede Trumps wird im Minutentakt von Twittermeldungen kommentiert. Auch der demokratische Sozialist Bernie Sanders, der vor Kurzem Clinton seine Unterstützung zugesagt hat, beteiligt sich daran. Als Trump ihm attestiert »wegen des manipulierten Systems keine Chance gehabt« zu haben und prophezeit, Sanders’ »Unterstützer werden zu unserer Bewegung dazustoßen«, twittert dieser: »Die, die mich gewählt haben, werden nicht Trump unterstützen, der Bigotterie und Zwiespalt zur Grundlage seines Wahlkampfs gemacht hat.« Ob sich seine Unterstützer aber hinter Clinton stellen? Der viel beschworene Schwung, den die Kandidaten für gewöhnlich aus einer »Convention« ziehen, trifft bei Trump auf jeden Fall zu. Umfragen zufolge hat er Clinton überholt. Jetzt kommt es darauf an, was die Demokraten aus ihrem eigenen am Montag beginnenden Parteitag in Philadelphia machen.
»Das sind nicht mehr die Republikaner, das ist eine andere Partei.«