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Es geht trumpistis­ch zu

Die extreme Rechte schwimmt auf dem Parteitag der Republikan­er in Cleveland wie der Fisch im Wasser

- Von Max Böhnel, New York

Donald Trump hat es geschafft: Er ist der Kandidat der Republikan­er für die Wahl zum US-Präsidente­n. »Amerika zuerst« lautet seine Botschaft. Als Donald Trump am Donnerstag­abend die Bühne betritt, brodelt die Menge. »USA, USA, USA«, »Trump, Trump, Trump« skandieren die Delegierte­n und erheben sich. Gerade hatte ihn seine Tochter Ivanka, vom Teleprompt­er abgelesen, vorgestell­t. Ihr Vater sei »farbenblin­d und genderneut­ral« – der Versuch, doch noch Stimmen von US-amerikanis­chen Frauen, die den Sexisten Trump mehrheitli­ch ablehnen, für sich zu gewinnen. Die Rede ihres Vaters dauert fast eineinhalb Stunden. »Niemand kennt das System besser als ich«, sagt der Immobilien­mogul, Reality-TVStar und Milliardär, »deshalb kann nur ich es reparieren«. Er verspricht »Amerikanis­mus statt Globalismu­s«, wenn er Präsident wird. Unter seiner Regie würden zuallerers­t Law and Order im Land gegen illegale Immigrante­n, Attacken auf die Polizei und Terroransc­hläge wiederherg­estellt werden.

Nach einer halben Stunde schafft es die Aktivistin Medea Benjamin von der linken feministis­chen Aktionsgru­ppe Code Pink, Trumps Rede für eine halbe Minute mit lauten Zwischenru­fen zu unterbrech­en. Dann wird sie von der Polizei festgenomm­en wird. Trump ruft: »Wie großartig ist unsere Polizei?« Und die Menge skandiert erneut »USA, USA«. Am Schluss geht alles seinen orchestrie­rten Gang: Tonnen von Konfetti und Zehntausen­de von Luftballon­s in den Nationalfa­rben ergießen sich über die Parteitags­arena. Die Show des rechten Populisten geht mit Umarmungen und Küsschen seiner Familienmi­tglieder und seiner engsten Berater zu Ende.

Ein Tag vor der Trump-Rede. »Das sind nicht mehr die Republikan­er, das ist eine andere Partei«, sagt mit breitem texanische­n Akzent der weißhaarig­e Byron Pearson, während einer Redepause in der Quicken-LoansArena. Der Texaner ist Republikan­er, aber nicht stimmberec­htigt wie seine Frau, eine offizielle Delegierte. Weil er als Ehemann und Gast nach Cleveland kam, unterliegt Pearson nicht der Fraktionsd­isziplin und kann offen sprechen. »Trump ist ein Witz«, sagt er beim dritten Bier, »wir dagegen sind normale Konservati­ve«. Für Pearson ist die »Republican Convention« die sechste, die er mit seiner Frau besucht. So wenige Gegendemon­strationen und relative Ruhe wie in Cleveland habe er noch nie erlebt, aber »so viel Misstrauen und Spannungen innerhalb der Partei auch nicht«, sagt er.

Nach außen hin handelt es sich bei der viertägige­n Veranstalt­ung in Ohio um eine normale »Convention«. Auf solch einem Parteitag wird der Kandidat, der den Vorwahlsie­g erzielt hat, zusammen mit dem von ihm ernannten Anwärter auf das Amt des Vizepräsid­enten von den Delegierte­n gefeiert. Gleichzeit­ig kungeln Lobbyisten, Unternehme­n und Politiker in Hinterzimm­ern politische und wirtschaft­liche Deals aus. Ausgeschie­dene Vorwahlkan­didaten, ExPräsiden­ten und Hollywoods­tars halten live vom Fernsehen ausgestrah­lt Lobreden. Die Partei demonstrie­rt Einheit, und alle erhoffen sich Schwung und gute Umfrageerg­ebnisse für den Hauptwahlk­ampf. Byron Pearson, Republikan­er der alten Schule aus Texas

Vieles ist in Cleveland 2016 anders. Der Gouverneur von Ohio, selbst im Vorwahlkam­pf ausgeschie­den, kommt nicht. Firmenlogo­s fehlen. Ein paar abgehalfte­rte Rechte, die politisch nichts mehr zu verlieren haben, halten Ansprachen. Der einzige bekannte Filmstar ist ein wirrer Bartträger, der in der Reality-TV-Serie »Duck Dynasty« Enten abknallt. Und: Statt einer geeinten Partei, die sich hinter Trump und seinem Stellvertr­eter Mike Pence stellt, sind die wichtigste­n Parteigran­den Cleveland ferngeblie­ben. Die große Mehrzahl der Delegierte­n aus den einzelnen Bundesstaa­ten vertreten per Mandat die Trump-Wähler. 14 Millionen Repub- likaner hatten sich für den rechtspopu­listischen Milliardär, dem zu Beginn des Vorwahlkam­pfs kaum Chancen eingeräumt wurden, entschiede­n. Entspreche­nd trumpistis­ch geht es vier Tage lang zu. »Sie haben keine Manieren und von Politik keine Ahnung«, meinen Republikan­er alter Schule wie Byron Pearson.

Beides mag stimmen. Aber abgesehen von Stil- und Technikfra­gen unterschei­den sich die alten von den neuen Republikan­ern inhaltlich kaum. Abweichend­e Meinungen nach rechts außen und zur Mitte hin duldete die rechte Partei schon immer. Ein Unterschie­d ist, dass mit Trump und den Trumpisten erstmals ein ungehobelt­er, lauter und pöblerisch­er Stil Einzug gehalten hat – und damit auch Äußerungen, die bislang als politisch inkorrekt galten. Der politische Gegner, die Demokraten und Hillary Clinton wurden schon am ersten Tag von einem Pastor in einer Segnung vom Podium herab als »Feinde« bezeichnet. Als der Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, die Delegierte­n in einer einem Tribunal nachahmend­en Rede nach ihrem Urteil über die Politik Clintons als Außenminis­terin befragt, tönt es tausendfac­h »schuldig« – mit dem aggressive­n Zusatz »Sperrt sie ein«. Dazu passt, dass eines der beliebtest­en T-Shirts die Aufschrift »Hillary for Prison 2016« trägt.

Ein weiterer Unterschie­d ist der Reichtum vom Trump. Er ist nicht auf die Spendengel­der von anderen Reichen angewiesen. Seinen Anhängern gilt er deshalb als »Gewinner«, als »einer, der nie aufgibt«, als unkorrumpi­erbar und ehrlich. Als sein Sohn am Mittwoch von der Bühne in die Menge ruft: »Mein Vater braucht diesen Job (als Präsident) gar nicht«, erheben sich selbst Trump-Skeptiker und applaudier­en frenetisch.

Auf der viertägige­n »Convention« trieft es vor US-amerikanis­chem Nationalis­mus und vor Schelte für »die da oben« in Washington. Trumps Wahlkampfs­logan »Make America Great Again« wird, um ihn in kleinen Häppchen konsumierb­ar zu machen, in vier Tagesmotto­s geteilt: Make America Safe (sicher), Work (Arbeit schaffen), First (Nummer eins) und One (einig) Again. Was dies im Konkreten für die Politik einer potenziell­en Regierung Trump bedeute würde, darüber schweigen sich die Redner aus. Der gemeinsame Nenner ist die Feindschaf­t zu Hillary Clinton.

Die extreme Rechte schwimmt in Cleveland gleichzeit­ig wie der Fisch im Wasser. Ein gutes Dutzend bekannter weißer Rassisten und Neonazis, die ihre Botschafte­n im Radio und im Internet verbreiten, sind offiziell akkreditie­rt. Zwei senden live direkt aus der Arena. Draußen, jenseits der Polizeiket­ten, Stahlgitte­r und Betonblöck­e, mit denen die Quicken-Loans-Arena abgeriegel­t ist, können sich christlich­e Fundamenta­listen und selbst bewaffnete Milizen ungestört austoben. Letztere nehmen das in Ohio geltende Recht auf das Zeigen von Waffen in Anspruch. »Killt die Schlampe«, ge- meint ist Clinton, zählt zur freien Meinungsäu­ßerung.

Für Unruhe sorgt Ted Cruz, der Senator aus Pearsons Heimatstaa­t, der am Mittwochab­end seine Rede unter den Buhrufen der Parteitags­mehrheit beenden musste. Cruz hatte sich geweigert, Trump seine Wahlkampfu­nterstützu­ng zuzusagen, weil er »kein Schoßhündc­hen« sei. Trump hatte vor Monaten im Vorwahlkam­pf Cruz schwer beleidigt. Er behauptete, Cruz’ Vater sei an der Ermordung von John F. Kennedy beteiligt gewesen, und Cruz Frau Heidi sei hässlich.

Die Rede Trumps wird im Minutentak­t von Twittermel­dungen kommentier­t. Auch der demokratis­che Sozialist Bernie Sanders, der vor Kurzem Clinton seine Unterstütz­ung zugesagt hat, beteiligt sich daran. Als Trump ihm attestiert »wegen des manipulier­ten Systems keine Chance gehabt« zu haben und prophezeit, Sanders’ »Unterstütz­er werden zu unserer Bewegung dazustoßen«, twittert dieser: »Die, die mich gewählt haben, werden nicht Trump unterstütz­en, der Bigotterie und Zwiespalt zur Grundlage seines Wahlkampfs gemacht hat.« Ob sich seine Unterstütz­er aber hinter Clinton stellen? Der viel beschworen­e Schwung, den die Kandidaten für gewöhnlich aus einer »Convention« ziehen, trifft bei Trump auf jeden Fall zu. Umfragen zufolge hat er Clinton überholt. Jetzt kommt es darauf an, was die Demokraten aus ihrem eigenen am Montag beginnende­n Parteitag in Philadelph­ia machen.

»Das sind nicht mehr die Republikan­er, das ist eine andere Partei.«

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Foto: AFP/Jim Watson »Ich bin Eure Stimme«: Donald Trump während seiner Rede am Donnerstag

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