Von den Mühen der Amtsebenen
Seit 2014 ist Birgit Klaubert (LINKE) Thüringer Bildungsministerin – ihr Wirken ist umstritten
Jeder war mal Schüler. Weshalb viele glauben, Ahnung von Bildungspolitik zu haben – ein Feld, wo die Länder wirklich noch etwas entscheiden können. Doch das braucht natürlich eine starke Ressortspitze. Selbstverständlich hat Bodo Ramelow die Berichte zurückgewiesen. Auf die Frage, ob er sich schon nach einem Ersatz für Thüringens Bildungsministerin Birgit Klaubert umsehe, antwortete der erste linke Ministerpräsident Deutschlands in einem Zeitungsinterview vor wenigen Tagen mit nur einem Wort: »Nein.« Womit Ramelow genau genommen nur einen Teil der Berichte zurückgewiesen hat. Denn in den vergangenen Wochen ist in Thüringen nicht nur über Klauberts mögliche Ablösung spekuliert worden. Sondern vor allem über die Ablösung von Klauberts Staatssekretärin Gabi Ohler. Beide Frauen sind wie Ramelow Mitglieder der LINKEN im Freistaat und stehen seit Dezember 2014 dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport vor. Beobachter sehen sie bislang vor allem als tragische Figuren.
Das hat freilich auch damit zu tun, dass Klaubert und Ohler das wohl am schwierigsten zu handelnde Haus leiten müssen, das die Linkspartei sich im Zuge der rot-rot-grünen Machtübernahme in Erfurt gesichert hat. Denn der Bereich Bildung hat es in sich: Auf kaum einem anderem anderen politischen Feld haben die Bundesländer noch einen solchen Gestaltungsspielraum wie dort – während gleichzeitig so ziemlich jeder politisch oder gesellschaftlich denkende Menschen glaubt, es in diesem Bereich besser zu wissen, als diejenigen, die an der Spitze des Bildungsressorts stehen. Man kennt das vom Fußball. Geht es um Schule, gilt es deshalb zahlreiche widerstreitende Interessen gegeneinander auszutarieren und trotzdem vor allem das Wohl der Kinder und Jugendlichen im Blick zu behalten.
Dafür bedarf es starker Moderatoren und Verwalter, doch als solche gelten Klaubert und Ohler nicht. Beide leiten zum ersten Mal in ihrer beruflichen Karriere ein Ministerium, gleichwohl sie im politischen Raum nicht unerfahren sind. Klaubert, selbst gelernte Lehrerin, war von 1994 und 2014 Landtagsabgeordnete, zwischen 1999 und 2014 sogar Landtagsvizepräsidentin. Ohler arbeitet vor ihrer Zeit als Staatssekretärin unter anderem als Referentin der PDS im Deutschen Bundestag und von 2004 bis Ende 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linken im Thüringer Landtag. Ein Ministerium aber ist vor allem ein Verwaltungsapparat, wo sich Mitarbeiter zudem naturgemäß gegenseitig nur bedingt mögen. Es hat ein Eigenleben, das sich nur mit einiger Verwaltungserfahrung beherrschen lässt. Und so kommt es, dass Klaubert und Ohler neben dem üblichen, sicher verschmerzbaren Gemecker aus der Opposition an Details von rotrot-grüner Bildungspolitik in den vergangenen Monaten vor allem Kritik an ihrer handwerklichen Arbeit einstecken mussten – auch aus den eigenen Reihen, weshalb solche Kritik sehr viel mehr weh tut als Schmähungen von CDU und AfD.
An kaum einem anderem Beispiel wird das wohl so deutlich wie am Streit über die Zukunft von etwa 1000 Hortnerinnen: Rot-Rot-Grün hatte sich im Januar 2016 darauf verständigt, ein mehrjähriges Modellprojekt zum 31. Juli 2016 auslaufen zu lassen, in dessen Rahmen die Erzieherinnen bei den Kommunen angestellt waren – auf Empfehlung Klauberts. Deshalb sollen die Betroffenen vom 1. August an Landesbedienstete werden.
Wie genau dieser Übergang aber geschehen soll, dazu gab es in den vergangenen Monaten vor allem Chaos und widersprüchliche Angaben – die darin gipfelten, dass den Hortnerin- nen einerseits öffentlich versichert wurde, sie müssten sich keine Gedanken um ihren Arbeitsplatz machen. »Keiner muss sich bei der Arbeitsagentur melden«, hatte Klaubert gesagt. Andererseits geriet die Unterzeichnung der dafür nötigen Verträge so sehr ins Stocken, dass sich Hunderte Hortnerinnen eben doch schon mal vorsorglich zur Arbeitsagentur begaben, weil sie fürchteten, nach dem Ende des Modellprojektes auf der Straße zu stehen.
Politiker von SPD und Grünen waren deswegen ziemlich sauer auf die Spitze des Bildungsministeriums. Und selbst aus Kreisen ihrer eigenen Partei hieß es deshalb im Juni, es gebe bereits eine vorsichtige Suche nach eventuellen Nachfolgern. »Man befindet sich da im Stadium des Abtastens«, hatte eine mit diesen Überlegungen vertraute Person damals gesagt. Umso glaubwürdiger erscheinen solche Aussagen, weil in den vergangenen Wochen bereits mehrere Mitarbeiter im Umfeld Klauberts und Ohlers ausgetauscht worden sind.
Tragisch ist diese Situation tatsächlich auch deshalb, weil die handwerklichen Fehler von Klaubert und Ohler überdecken, dass in Thüringen mit dem Amtsantritt von Rot-RotGrün erstmals seit Jahren wieder in großer Zahl junge Lehrer in Thüringen eingestellt werden: nach Angaben des Bildungsministeriums etwa 1000 seit Ende 2014. »Zum Schuljahresstart im August werden weitere 290 dazu kommen«, sagt Klauberts Sprecher. Politiktheoretisch höchst interessant in diesem Zusammenhang: Ausgerechnet unter einer linken Bildungsministerin und einem linken Ministerpräsidenten können sich diese Jung-Lehrer große Hoffnung machen, in Zukunft wieder verbeamtet zu werden.