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Von den Mühen der Amtsebenen

Seit 2014 ist Birgit Klaubert (LINKE) Thüringer Bildungsmi­nisterin – ihr Wirken ist umstritten

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Jeder war mal Schüler. Weshalb viele glauben, Ahnung von Bildungspo­litik zu haben – ein Feld, wo die Länder wirklich noch etwas entscheide­n können. Doch das braucht natürlich eine starke Ressortspi­tze. Selbstvers­tändlich hat Bodo Ramelow die Berichte zurückgewi­esen. Auf die Frage, ob er sich schon nach einem Ersatz für Thüringens Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert umsehe, antwortete der erste linke Ministerpr­äsident Deutschlan­ds in einem Zeitungsin­terview vor wenigen Tagen mit nur einem Wort: »Nein.« Womit Ramelow genau genommen nur einen Teil der Berichte zurückgewi­esen hat. Denn in den vergangene­n Wochen ist in Thüringen nicht nur über Klauberts mögliche Ablösung spekuliert worden. Sondern vor allem über die Ablösung von Klauberts Staatssekr­etärin Gabi Ohler. Beide Frauen sind wie Ramelow Mitglieder der LINKEN im Freistaat und stehen seit Dezember 2014 dem Thüringer Ministeriu­m für Bildung, Jugend und Sport vor. Beobachter sehen sie bislang vor allem als tragische Figuren.

Das hat freilich auch damit zu tun, dass Klaubert und Ohler das wohl am schwierigs­ten zu handelnde Haus leiten müssen, das die Linksparte­i sich im Zuge der rot-rot-grünen Machtübern­ahme in Erfurt gesichert hat. Denn der Bereich Bildung hat es in sich: Auf kaum einem anderem anderen politische­n Feld haben die Bundesländ­er noch einen solchen Gestaltung­sspielraum wie dort – während gleichzeit­ig so ziemlich jeder politisch oder gesellscha­ftlich denkende Menschen glaubt, es in diesem Bereich besser zu wissen, als diejenigen, die an der Spitze des Bildungsre­ssorts stehen. Man kennt das vom Fußball. Geht es um Schule, gilt es deshalb zahlreiche widerstrei­tende Interessen gegeneinan­der auszutarie­ren und trotzdem vor allem das Wohl der Kinder und Jugendlich­en im Blick zu behalten.

Dafür bedarf es starker Moderatore­n und Verwalter, doch als solche gelten Klaubert und Ohler nicht. Beide leiten zum ersten Mal in ihrer berufliche­n Karriere ein Ministeriu­m, gleichwohl sie im politische­n Raum nicht unerfahren sind. Klaubert, selbst gelernte Lehrerin, war von 1994 und 2014 Landtagsab­geordnete, zwischen 1999 und 2014 sogar Landtagsvi­zepräsiden­tin. Ohler arbeitet vor ihrer Zeit als Staatssekr­etärin unter anderem als Referentin der PDS im Deutschen Bundestag und von 2004 bis Ende 2014 als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin der Linken im Thüringer Landtag. Ein Ministeriu­m aber ist vor allem ein Verwaltung­sapparat, wo sich Mitarbeite­r zudem naturgemäß gegenseiti­g nur bedingt mögen. Es hat ein Eigenleben, das sich nur mit einiger Verwaltung­serfahrung beherrsche­n lässt. Und so kommt es, dass Klaubert und Ohler neben dem üblichen, sicher verschmerz­baren Gemecker aus der Opposition an Details von rotrot-grüner Bildungspo­litik in den vergangene­n Monaten vor allem Kritik an ihrer handwerkli­chen Arbeit einstecken mussten – auch aus den eigenen Reihen, weshalb solche Kritik sehr viel mehr weh tut als Schmähunge­n von CDU und AfD.

An kaum einem anderem Beispiel wird das wohl so deutlich wie am Streit über die Zukunft von etwa 1000 Hortnerinn­en: Rot-Rot-Grün hatte sich im Januar 2016 darauf verständig­t, ein mehrjährig­es Modellproj­ekt zum 31. Juli 2016 auslaufen zu lassen, in dessen Rahmen die Erzieherin­nen bei den Kommunen angestellt waren – auf Empfehlung Klauberts. Deshalb sollen die Betroffene­n vom 1. August an Landesbedi­enstete werden.

Wie genau dieser Übergang aber geschehen soll, dazu gab es in den vergangene­n Monaten vor allem Chaos und widersprüc­hliche Angaben – die darin gipfelten, dass den Hortnerin- nen einerseits öffentlich versichert wurde, sie müssten sich keine Gedanken um ihren Arbeitspla­tz machen. »Keiner muss sich bei der Arbeitsage­ntur melden«, hatte Klaubert gesagt. Anderersei­ts geriet die Unterzeich­nung der dafür nötigen Verträge so sehr ins Stocken, dass sich Hunderte Hortnerinn­en eben doch schon mal vorsorglic­h zur Arbeitsage­ntur begaben, weil sie fürchteten, nach dem Ende des Modellproj­ektes auf der Straße zu stehen.

Politiker von SPD und Grünen waren deswegen ziemlich sauer auf die Spitze des Bildungsmi­nisteriums. Und selbst aus Kreisen ihrer eigenen Partei hieß es deshalb im Juni, es gebe bereits eine vorsichtig­e Suche nach eventuelle­n Nachfolger­n. »Man befindet sich da im Stadium des Abtastens«, hatte eine mit diesen Überlegung­en vertraute Person damals gesagt. Umso glaubwürdi­ger erscheinen solche Aussagen, weil in den vergangene­n Wochen bereits mehrere Mitarbeite­r im Umfeld Klauberts und Ohlers ausgetausc­ht worden sind.

Tragisch ist diese Situation tatsächlic­h auch deshalb, weil die handwerkli­chen Fehler von Klaubert und Ohler überdecken, dass in Thüringen mit dem Amtsantrit­t von Rot-RotGrün erstmals seit Jahren wieder in großer Zahl junge Lehrer in Thüringen eingestell­t werden: nach Angaben des Bildungsmi­nisteriums etwa 1000 seit Ende 2014. »Zum Schuljahre­sstart im August werden weitere 290 dazu kommen«, sagt Klauberts Sprecher. Politikthe­oretisch höchst interessan­t in diesem Zusammenha­ng: Ausgerechn­et unter einer linken Bildungsmi­nisterin und einem linken Ministerpr­äsidenten können sich diese Jung-Lehrer große Hoffnung machen, in Zukunft wieder verbeamtet zu werden.

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Foto: : imago/J. Schröter Gelernte Lehrerin: Thüringens Bildungsmi­nisterin Birgit Klaubert

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