Klartexter
Den von der UNO-Vollversammlung gewünschten formalen Kriterien entspricht er nicht: António Guterres. Denn die Generalversammlung hatte gefordert, dass die Kandidaten für die Nachfolge von Ban Ki-Moon als UN-Generalsekretär zwei Kriterien erfüllen sollten: Frau und aus Osteuropa.
Guterres ist ein Mann und ein Portugiese. Trotzdem setzte er sich in einer ersten Abstimmungsrunde im UN-Sicherheitsrat gegen seine elf Mitbewerber durch, wie aus Diplomatenkreisen verlautete. Die Würfel sind damit noch längst nicht gefallen.
Dass Guterres trotz mangelnder Passgenauigkeit auf viel Zustimmung stößt, hat einen einfachen Grund: Der Mann, der zwischen 1995 und 2002 als Ministerpräsident an der Spitze der portugiesischen Regierung stand, redet Klartext. Das hat er zwischen 2005 und 2015 als Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) nachdrücklich unter Beweis gestellt. »Wir leben in einer Welt im Krieg«, sagte er bei der Präsentation des Jahresüberblicks der UNHCR 2015. Und er behielt mit seiner skeptischen Prognose Recht: »Wir müssen befürchten, dass die Nachrichten nicht besser werden.«
Das Herz des portugiesischen Sozialisten, der von 1992 bis 2002 Generalsekretär der Partido Socialista war, schlägt für die Schwachen dieser Welt und er scheute sich nie, die Verantwortlichen für die globale Flüchtlingsmisere klar zu benennen: auf der einen Seite die Politiker und Warlords, die die Kriege anzetteln – und in der Regel straffrei ausgehen. Auf der anderen Seite gebe die internationale Gemeinschaft eine jämmerliche Figur ab: Sie sei völlig unfähig »zusammenzuarbeiten, um die Kriege zu stoppen und Frieden zu schaffen und zu bewahren«.
Im Gegensatz zur Internationalen Gemeinschaft gab der gelernte Elektrotechniker Guterres eine gute Figur in der Flüchtlingskrise ab. Sollte er schlussendlich zum UNO-Generalsekretär gekürt werden, müsste er den Beweis antreten, dass er imstande ist, seine richtige UN-Kritik in eine folgerichtige UN-Reform umzusetzen. Noch ist es nicht so weit.