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Bloß nicht positionie­ren

Kritik an dem europäisch-kanadische­n Freihandel­sabkommen CETA wird in der SPD oft zurückhalt­end formuliert

- Von Aert van Riel

Nicht alle linken Sozialdemo­kraten wollen sich bereits jetzt auf eine Ablehnung von CETA festlegen. Einige von ihnen suggeriere­n, dass noch positive Änderungen an dem Vertrag möglich seien. Der Satz, den Klaus Mindrup am Dienstagab­end über das geplante europäisch-kanadische Freihandel­sabkom- men CETA sagte, ist in der SPD zurzeit oft zu hören. »Wir werden uns die Details im Vertrag, der erst seit kurzem in deutscher Übersetzun­g vorliegt, genau ansehen und diese kritisch prüfen«, erklärte der Berliner Bundestags­abgeordnet­e. Mindrup hatte zu einer Diskussion­srunde in seinem Wahlkreis Pankow geladen. In dem Backsteinb­au der Kulturbrau­erei saßen etwa 50 Menschen unterschie­dlichen Alters. Es blieben kaum Stühle frei. Der transatlan­tische Freihandel bewegt zahlreiche Genossen. Die Sorgen sind groß, dass im Zuge von CETA und TTIP im Interesse von Konzernen Standards im Sozial- und Umweltbere­ich ausgehöhlt werden und sich der zusätzlich­e Konkurrenz­druck negativ auf die Situation der Arbeiter und Angestellt­en auswirkt. Ein älterer Mann aus dem Publikum fragte: »Wozu brauchen wir die Verträge überhaupt? Soll der Druck auf die Löhne immer weiter steigen?«

Diese Sorgen konnte Mindrup nicht ausräumen. Er lehnt den Freihandel nicht grundsätzl­ich ab, sieht aber vieles skeptisch. In diesem Zusammenha­ng nannte der Umweltpoli­tiker die Bereiche Verbrauche­r- und Umweltschu­tz sowie die Arbeitnehm­errechte. Er sei aber optimistis­ch, dass »wir mit Kanada etwas Fortschrit­tliches hinbekomme­n«. Aus der SPD-Linken im Bundestag, zu der Mindrup gehört, hieß es vor einigen Wochen, dass noch Rechtsbegr­iffe im Vertrag präzisiert werden müssten. Nach großem Änderungsb­edarf klang das nicht.

Warum sich viele Sozialdemo­kraten vorsichtig zu CETA äußern, liegt auf der Hand. Jede Kritik an dem Abkommen richtet sich auch gegen Parteichef Sigmar Gabriel. Dieser hat betont, wie wichtig es sei, dass Europa die Standards des Welthandel­s be- einflusse. Gabriel muss lavieren. Er hat sich als Wirtschaft­sminister auf die Seite von Unternehme­n gestellt, die sich durch den Freihandel größere Gewinne erhoffen, anderersei­ts braucht Gabriel die Zustimmung der SPD. Wann TTIP unterschri­ftsreif vorliegen wird, steht in den Sternen. Die Verhandlun­gen zwischen den USA und der EU-Kommission kommen kaum voran. CETA ist dagegen weitgehend ausverhand­elt. Bei der Abstimmung des EU-Handelsmin­isterrates wird Gabriel Ende September wohl für das Abkommen votieren.

Ein großer Streit über ihre Position zum Freihandel könnte die Krise der SPD verschärfe­n. Im September finden in Berlin und Mecklenbur­g- Vorpommern Landtagswa­hlen statt. Dort stellen die Sozialdemo­kraten die Regierungs­chefs, müssen aber nun Einbrüche befürchten. Die Partei will am 19. September, einen Tag nach der Berliner Wahl, bei einem Parteikonv­ent in Wolfsburg über CETA beraten und dort einen Beschluss fassen.

Allerdings setzt nicht die gesamte Partei auf Zurückhalt­ung. Neben dem linken SPD-Verein Forum DL 21 wollen auch die Landesverb­ände Bayern und Bremen CETA in der vorliegend­en Form nicht zustimmen. Sie sehen die von der SPD beschlosse­nen roten Linien zum Freihandel als überschrit­ten an. Kritiker wie der Bremer Europaabge­ordnete Joachim Schuster warnten vor missbräuch­lichen Klagen von Konzernen gegen Staaten und möglichen Liberalisi­erungszwän­gen in der Daseinsvor­sorge.

Sollte CETA an der SPD scheitern, müsste Sigmar Gabriel wohl von seinen Ämtern zurücktret­en. Unterstütz­unghatteer­zuletztimm­erhinvon seinem Parteifreu­nd Martin Schulz im »Spiegel« erhalten. Nach Ansicht des EU-Parlaments­präsidente­n hat die kanadische Regierung in der Frage der Schiedsger­ichte große Zugeständn­isse gemacht. Stattdesse­n soll es Handelsger­ichte geben, für die sich Gabriel eingesetzt hatte. Ein großer Fortschrit­t ist dies aber nicht. Spezielle Sonderklag­erechte für ausländisc­he Investoren bleiben bestehen.

Auch die Politikwis­senschaftl­erin und Vorsitzend­e der SPD-Grundwerte­kommission Gesine Schwan stellte sich nun hinter den Parteichef und lobte die »Verbesseru­ngen« beim europäisch-kanadische­n Abkommen. »Es ist nicht gut für Sozialdemo­kraten, gegen CETA Sturm zu laufen«, sagte sie bei der Veranstalt­ung in der Kulturbrau­erei. Man solle Sigmar Gabriel »nicht noch einen draufgeben«, damit er womöglich stürze.

Einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma sehen Mindrup und Schwan in weiteren Verhandlun­gen zwischen der EU und Kanada zu CETA. Diese Forderung haben auch der Deutsche Gewerkscha­ftsbund sowie kanadische Gewerkscha­fter erhoben. Mindrup mahnte »einen engen Schultersc­hluss mit den Gewerkscha­ften« an. Dies lehrten die Erfahrunge­n der Agenda 2010. Damals hatten sich SPD und DGB wegen des neoliberal­en Kurses der Partei entfremdet. Die Freihandel­spolitik könnte nun ähnliche Auswirkung­en für die SPD haben.

Ein großer Streit über ihre Position zur Freihandel­spolitik könnte die Krise der SPD verschärfe­n.

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