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Ruhe im Auge des Sturms

Die Entwicklun­gen in der Türkei könnten auch Folgen für Nordzypern haben

- Von Karin Leukefeld, Nikosia

Die Entwicklun­gen in der Türkei haben bislang keine Auswirkung­en auf die Bemühungen, die Teilung Zyperns zu überwinden, sagt dessen Präsident Nikos Anastasiad­es. Das muss nicht so bleiben. Die gewaltsame­n Auswirkung­en des syrischen Flächenbra­ndes haben Zypern bisher verschont. Zwar werden die Militärbas­en im Süden des Landes von Briten und NATO-Soldaten genutzt, um Aufklärung­s- und Kampfeinsä­tze über Irak und Syrien zu steuern, doch es gibt nur wenige Flüchtling­e aus Syrien oder anderen Kriegsgebi­eten. Ideologisc­h-religiös motivierte Gewalt kennt man nicht.

Zypern liegt im »Auge des Sturms«, der im Mittleren Osten und immer mehr auch in europäisch­en Ländern tobt. Die Ruhe ist trügerisch und kann jederzeit umschlagen. Konfliktpo­tenzial bergen nicht nur der Flächenbra­nd im Mittleren Osten und die vielen Flüchtling­e, die geostrateg­ische Lage der Insel im östlichen Mittelmeer und die Naturgasfe­lder, die zwischen Zypern und der Küste der Levante geortet wurden, haben Begehrlich­keiten geweckt.

Und so ist es nicht verwunderl­ich, wenn Touristen an der Küste fast täglich britische Kampfjets von den Basen Akrotiri oder Dhekelia aufsteigen sehen, die nur knapp 150 km weiter östlich ihre tödliche Fracht über Irak oder Syrien abwerfen. Auch israelisch­e Kampfjets drehen Übungsrund­en über Zypern, russische Kriegsschi­ffe liegen am Pier, die US-Marine, die französisc­he, deutsche und türkische Marine manövriere­n in zypriotisc­hen Gewässern.

Nicht nur militärisc­h, auch diplomatis­ch wird um Zypern gerungen. Unter der Vermittlun­g der Vereinten Nationen findet seit mehr als zehn Jahren ein Verhandlun­gsprozess zwi- schen der von der Türkei 1975 installier­ten Türkischen Republik Nordzypern und dem Süden der Insel, der Republik Zypern, statt, die auch Mitglied der Europäisch­en Union ist. Ziel der Verhandlun­gen ist die Einigung über eine gemeinsame Regierung der Insel, die seit 1974 geteilt ist.

Damals hatte die Türkei einen Putsch der griechisch-zyprischen Nationalga­rde zum Anlass genommen, um mehr als 40 000 Soldaten nach Nordzypern zu schicken. Diese sollten die Rechte der türkisch-zyprischen Minderheit schützen. Allerdings wurde daraus eine Besatzung, die bis heute andauert. Ankara siedelte im Norden Zyperns Türken aus Zentralana­tolien an, traditione­ll eine konservati­ve, ländlich geprägte Bevölkerun­g. Heute sind viele von ihnen Anhänger der in Ankara regierende­n Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan.

Entspreche­nd aufmerksam werden die Ereignisse um den misslungen­en Putsch vom 15. Juli und der massive Säuberungs­sturm beobachtet, der über Armee, staatliche Insti- tutionen, Universitä­ten, Schulen und Medien in der Türkei hereingebr­ochen ist und auch Nordzypern erfassen könnte.

Die einen – darunter nordzyprio­tische Journalist­en – applaudier­en Erdogan und fordern den Einsatz von mehr türkischer Armee auf der Insel, um die »Gülen-Terroriste­n« festzunehm­en, die es angeblich auch in Nordzypern gibt. Die anderen befürchten, dass die innerzypri­otischen Gespräche ausgesetzt und der Norden der Insel möglicherw­eise von der Türkei annektiert werden könnte.

Nahrung für derlei Befürchtun­gen lieferte am Dienstag der türkische Ministerpr­äsident Binali Yildirim. Zwar unterstütz­e die Türkei die von der UNO moderierte­n Zyperngesp­räche. Doch die nächste Gesprächsr­unde, so der Premier, könnte die letzte Chance für die griechisch­en Zyprioten sein, eine Einigung zu erreichen. Die türkische Seite habe sich stets konstrukti­v verhalten, während die griechisch­e Seite immer als »Spielverde­rberin« aufgetrete­n sei, sagte Yildirim. Er rate den griechisch­en Zyprioten zu »mehr Weisheit«.

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Foto: dpa/Andreas Manoli Parade zum 42. Jahrestag der Invasion Nordzypern­s am 20. Juli im türkischen Nordteil der Hauptstadt Nikosia

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