Kurden im Fadenkreuz
400 000 Menschen in humanitärer Notlage in Syrien
In Aleppo und Manbidsch sind 400 000 Menschen von humanitärer Hilfe abgeschnitten. Bei einem Anschlag in der nordwestsyrischen Stadt Kamischli starben 56 Menschen. Damaskus. Bei einem der schwersten Anschläge in Syrien seit Monaten hat die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nach Krankenhausangaben mindestens 56 Menschen getötet. Die Explosionen in der nordöstlichen, mehrheitlich von Kurden bewohnten Großstadt Kamischli auf eine Justizbehörde und ein Sicherheitsgebäude seien eine Antwort auf den Kampf der Kurden gegen die Dschihadisten, teilte der IS in einer Botschaft im Internet mit. Mehr als 160 Menschen seien verletzt worden, sagte der Direktor des Nationalen Krankenhauses in Kamischli, Omar al-Akub, gegenüber dpa. Die Opferzahl dürfte noch steigen, da viele Personen noch unter Trümmern begraben lägen.
Eine Autobombe – nach IS-Darstellung ein Selbstmordattentäter – sei am Mittwoch nahe einer Justizbehörde und des Polizeihauptquartier detoniert. Das syrische Fernsehen zeigte Bilder zerrissener Häuserfassaden und von völligem Chaos. Menschen rannten durcheinander, versorgten Verletzte, löschten Brände und trugen Leichen aus den Trümmern. Örtliche Medien forderten die Bewohner der Region auf, Blut zu spenden.
Die kurdisch geführten und von den USA unterstützten Demokratischen Kräfte Syriens rücken in Nordsyrien gegen die Terrormiliz vor. Sie hatten zuletzt die strategisch wichtige Stadt Manbidsch eingekreist und teilweise eingenommen. Die Kurden gelten als effizienteste Anti-IS-Kämpfer.
Kamischli in der Provinz Hassaka gilt neben der Provinzhaupt- stadt Hassaka als Zentrum der Volksgruppe in Syrien. Der Anschlag am Mittwoch war den Menschenrechtsbeobachtern zufolge jedoch der schwerste in der Provinz. Kamischli liegt an der türkischen Grenze und wird vorrangig von Kurden, teilweise aber auch von syrischen Regierungstruppen kontrolliert.
Die Lage für Hunderttausende Zivilisten in den umkämpften Gebieten Syriens hat sich in den vergangenen Wochen verschlimmert. In Aleppo und der von Dschihadisten gehaltenen Region Manbidsch im Norden des Landes seien mehr als 400 000 Menschen von humanitärer Hilfe abgeschnitten, berichtete am Mittwoch ein Zusammenschluss von 24 Hilfsorganisationen, darunter Care, Oxfam, Save the Children, die Welthungerhilfe und World Vision.
»Die Vorräte gehen rapide zur Neige, Frauen, Kinder und Männer werden hungern, wenn die Konfliktparteien nicht gezwungen werden, den Weg für humanitäre Hilfe freizugeben«, sagte Sonya Khush von Save the Children. Die derzeitigen Entwicklungen seien »beschämend«, erklärten die Hilfsorganisationen mit Blick auf die notleidenden Zivilisten in Aleppo, Manbidsch und anderen umkämpften Städten.
Manbidsch ist eine Hochburg des IS. Eine arabisch-kurdische Rebellenallianz führt derzeit einen Offensive zur Eroberung der Stadt. Nach Angaben der Hilfsorganisationen führten Frontverschiebungen dazu, dass Tausende Zivilisten in Manbidsch keinen Zugang zu Hilfe haben und ihre Häuser verlassen mussten. In Aleppo wurde von Regierungstruppen bereits vor knapp drei Wochen die letzte Versorgungsroute zu von Rebellen gehaltenen Vierteln gekappt.