Elite vor Strafverfolgung geschützt
Mazedoniens Protestbewegung rüstet zu den Neuwahlen im Dezember
Die mazedonischen Parteien haben sich nach einer monatelangen Krise und Massenprotesten auf Neuwahlen und eine Medienreform geeinigt. Wie sind die Pläne zu bewerten? In der Abmachung wird die Protestbewegung komplett ignoriert. Die Forderungen der Demonstranten werden nicht erfüllt, es handelt sich um ein Zugeständnis an die herrschende Elite. Bis zu den voraussichtlichen Neuwahlen im Dezember sind aber vorerst keine weiteren Demonstrationen geplant. Gruppen der Protestbewegung und linke Organisationen werden in der Zwischenzeit diskutieren, wie es jetzt weitergehen soll. Könnte es durch Neuwahlen überhaupt einen positiven Wechsel geben? Selbst wenn wir einen Regierungswechsel erreichen, liegen die wahren Ursachen der Krise tiefer. Mazedonien braucht einen radikalen Bruch. Nicht nur mit dem derzeitigen Regime und seinen Methoden, sondern auch mit den Bedingungen für seinen Aufstieg. Die Ursachen gehen zurück zu den Privatisierungen der 1990er Jahre. Die dadurch verursachte Machtanhäufung einer klei- nen Elite hatte weitreichende Konsequenzen. Seit Mitte April gab es Demonstrationen gegen die Regierung. Präsident Gjordje Ivanov hatte zuvor eine Amnestie für 56 Politiker erlassen, gegen die wegen Korruption ermittelt wurde. Wie entwickelte sich der Protest? Mitte Juli gab es zuletzt eine große Demonstration in der Hauptstadt Skopje gegen die Aufnahme eines Eurobond-Kredites in Höhe von 650 Millionen Euro. Es war die neueste unverantwortliche Verschuldung in einer ganzen Reihe, die die Regierung aufgenommen hat. Anfang April waren die Proteste noch gewalttätig. Ein Büro des Präsidenten wurde verwüstet, danach hat die Polizei Aktivisten festgenommen. In den vergangenen Wochen ist es friedlicher geworden. Mittlerweile sind die Demonstrationen vor allem für das Werfen von Farbbomben bekannt. Warum kamen sie zum Einsatz? Diese Farbbomben sind zum einen ein symbolischer Protest, der sich gegen das Architekturprojekt »Skopje 2014« richtet. In diesem Zusammenhang werden viele Statuen derzeit in der Stadt aufgestellt. Eine Verschwendung öffentlicher Gelder, während es große Armut, Arbeitslosigkeit und Auswanderung gibt. Andererseits sind die Farbbomben eine Taktik, um die Proteste friedlich zu halten, aber trotzdem Unzufriedenheit ausdrücken. Von den Sozialdemokraten der SDSM bis hin zu neuen Linksparteien wie Leviza beteiligen sich sehr unterschiedliche Kräfte an den Protesten. Führt das nicht zu einer inhaltlich schwammigen Positionierung? Noch werden nicht die wahren Ursachen der Krise konsequent in Frage gestellt. Verschiedene Gruppen innerhalb der Bewegung wie Leviza und Solidarnost haben das Potenzial, eine Radikalisierung in Gang zu setzen. Es ist aber schwierig. Viele junge, unzufriedene Leute haben das Land verlassen. Wie halten sich die Regierungsparteien des mazedonisch-nationalistischen Blocks unter der VMRO und der albanisch-nationalistischen DUI an der Macht? Durch drei Strategien: Die erste ist die Anhäufung von Kapital und Eigentum durch die Ausbeutung des Lan- des. Beispielsweise durch Beteiligung an Privatisierungen oder direkt durch Geldwäsche. Zweitens pflegen die Politiker einen nationalistischen Populismus. Das dritte Element ist die Aufrechterhaltung eines klientelistischen Netzwerkes von Korruption und Parteizugehörigkeit. Unter EU-Vermittlung wurde eine Ermittlungsbehörde geschaffen, die Korruption aufklären sollte. Neben der jetzt angekündigten Medienreform war auch eine Wahlreform geplant. Was ist daraus geworden? Das gesamte Justizsystem des Landes steht unter Kontrolle des Regimes. Die politische Elite hat die Macht, die Ermittlungen zu blockieren. Zeitgleich steckt die Wahlreform in einer Sackgasse. Dort wurde bisher kein glaubwürdiger Fortschritt erreicht. Was wäre notwendig? Wir brauchen einen Wandel im Land, wo genau diese Strafverfolgung gegen die korrupten Netzwerke aufgenommen wird. Es muss aber auch das Geld wieder zurückgeholt werden, das illegal ins Ausland gebracht wurde. Die Eliten haben viel zu verlieren.