Vorsicht mit dem Magenband
Mehr Menschen lassen sich operieren, um Gewicht loszuwerden. Das kann gefährlich sein
Im neuesten Krankenhausreport hat die Barmer GEK Eingriffe zur Bekämpfung der Fettleibigkeit untersucht. Deren Zahl steigt an, doch die Resultate sind nicht in jedem Fall überzeugend. Es ist erst ein paar Tage her, da machte diese Nachricht die Runde: Ein 250 Kilogramm schwerer Mann war in der Nähe von Kaiserslautern auf einem Parkplatz in seinem Auto eingeschlafen. Dabei rutschte der 60-Jährige so unglücklich vom Sitz, dass er sich einklemmte und nicht mehr selbst befreien konnte. Polizei und Feuerwehr mussten ihn mit einer hydraulischen Rettungsschere herausholen und dabei das ganze Auto zerlegen. Der dicke Mann kam ins Krankenhaus.
Kein Einzelfall. Sieben Millionen Menschen mussten sich 2014 wegen krankhaften Übergewichts – der Fachmann nennt es Adipositas – von Ärzten behandeln lassen, 14 Prozent mehr als 2006. Wie Experten im Auftrag einer großen gesetzlichen Krankenkasse, der Barmer GEK, herausfanden, geht der Trend zur Fettleibigkeit mit einer deutlichen Steigerung der Operationszahlen einher. Sie versechsfachten sich bei Barmer-Versicherten zwischen 2006 und 2014 auf 1070. Rechnet man diese Zahl auf die Patienten aller Kassen hoch, so kommt man auf 9225 Operationen.
Es handelt sich bei diesen Eingriffen um sogenannte bariatrische Operationen, die bei extrem übergewichtigen Patienten mit bedrohlichen Begleiterkrankungen nach dem Scheitern sonstiger Therapieansätze als letztes Mittel eingesetzt werden, um Gewicht zu reduzieren. Dazu zählten Magenverkleinerungen, Magenbypässe und Magenbänder.
Die Operationen, in die schwer adipöse Menschen so große Hoffnungen stecken, sind trotz positiver Effekte wie der Verringerung von DiabetesErkrankungen ein schwerwiegender Eingriff, der mit gesundheitlichen Ri- siken und einer anschließenden dauerhaften Behandlung durch den Arzt sowie sorgfältiger Ernährung durch den Patienten verbunden sind. »Ein bariatrischer Eingriff sollte als Ultima Ratio zum Einsatz kommen«, betonte Barmer-GEK-Vorstandschef Christoph Straub. Sei er unvermeidbar, sollte er unbedingt in einem dafür zertifizierten Zentrum vorgenommen werden, wo entsprechend hohe Sicherheitsund Qualitätsstandards garantiert werden können. Die Zahlen belegen, dass es hier zu weniger Komplikationen nach der Operation kommt.
In Deutschland gibt es 44 zertifizierte Adipositas-Zentren, aber rund 350 Kliniken, in denen bariatrische Operationen vorgenommen werden. Straub forderte die Krankenhäuser dazu auf, zusätzlich wohnortnahe Nachsorgekonzepte mit niedergelassenen Ärzten für eine bessere Betreuung der Operierten umzusetzen. Eine engmaschige Nachsorge sei unverzichtbar, doch die Menschen müssten auch wissen, dass vernünftige Ernährung kombiniert mit Bewegung das beste Mittel gegen Übergewicht sei, so Straub: »Auf dem Sofa nimmt man nicht ab.«
Die Krankenhäuser fühlen sich durch den Barmer-Report diffamiert. Steigenden Behandlungsbedarf in die Nähe von nicht notwendigen Leistungen der Kliniken zu rücken, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sei unredlich.
Als übergewichtig gelten Menschen mit einem Body-Maß-Index (BMI) von über 30. Der BMI errech- net sich, indem das Körpergewicht durch das Quadrat der Körpergröße dividiert wird. Deutschland liegt mit seinem Anteil an Übergewichtigen an siebenter Stelle in der Welt hinter USA, Neuseeland, Australien, Kanada, Großbritannien und Finnland. Die wenigsten Dicken haben Italien, Norwegen, Süd-Korea und Japan.
Auch in Deutschland gibt es regionale Unterschiede. So leben in den östlichen Bundesländern mehr Menschen mit Adipositas. Boris Augurtzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, das die Untersuchung durchführte, sieht das in geringeren Einkommen und der Altersstruktur begründet. Von Übergewicht sind vor vor allem Ältere und mehr Männer als Frauen betroffen.