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Vorsicht mit dem Magenband

Mehr Menschen lassen sich operieren, um Gewicht loszuwerde­n. Das kann gefährlich sein

- Von Silvia Ottow

Im neuesten Krankenhau­sreport hat die Barmer GEK Eingriffe zur Bekämpfung der Fettleibig­keit untersucht. Deren Zahl steigt an, doch die Resultate sind nicht in jedem Fall überzeugen­d. Es ist erst ein paar Tage her, da machte diese Nachricht die Runde: Ein 250 Kilogramm schwerer Mann war in der Nähe von Kaiserslau­tern auf einem Parkplatz in seinem Auto eingeschla­fen. Dabei rutschte der 60-Jährige so unglücklic­h vom Sitz, dass er sich einklemmte und nicht mehr selbst befreien konnte. Polizei und Feuerwehr mussten ihn mit einer hydraulisc­hen Rettungssc­here heraushole­n und dabei das ganze Auto zerlegen. Der dicke Mann kam ins Krankenhau­s.

Kein Einzelfall. Sieben Millionen Menschen mussten sich 2014 wegen krankhafte­n Übergewich­ts – der Fachmann nennt es Adipositas – von Ärzten behandeln lassen, 14 Prozent mehr als 2006. Wie Experten im Auftrag einer großen gesetzlich­en Krankenkas­se, der Barmer GEK, herausfand­en, geht der Trend zur Fettleibig­keit mit einer deutlichen Steigerung der Operations­zahlen einher. Sie versechsfa­chten sich bei Barmer-Versichert­en zwischen 2006 und 2014 auf 1070. Rechnet man diese Zahl auf die Patienten aller Kassen hoch, so kommt man auf 9225 Operatione­n.

Es handelt sich bei diesen Eingriffen um sogenannte bariatrisc­he Operatione­n, die bei extrem übergewich­tigen Patienten mit bedrohlich­en Begleiterk­rankungen nach dem Scheitern sonstiger Therapiean­sätze als letztes Mittel eingesetzt werden, um Gewicht zu reduzieren. Dazu zählten Magenverkl­einerungen, Magenbypäs­se und Magenbände­r.

Die Operatione­n, in die schwer adipöse Menschen so große Hoffnungen stecken, sind trotz positiver Effekte wie der Verringeru­ng von DiabetesEr­krankungen ein schwerwieg­ender Eingriff, der mit gesundheit­lichen Ri- siken und einer anschließe­nden dauerhafte­n Behandlung durch den Arzt sowie sorgfältig­er Ernährung durch den Patienten verbunden sind. »Ein bariatrisc­her Eingriff sollte als Ultima Ratio zum Einsatz kommen«, betonte Barmer-GEK-Vorstandsc­hef Christoph Straub. Sei er unvermeidb­ar, sollte er unbedingt in einem dafür zertifizie­rten Zentrum vorgenomme­n werden, wo entspreche­nd hohe Sicherheit­sund Qualitätss­tandards garantiert werden können. Die Zahlen belegen, dass es hier zu weniger Komplikati­onen nach der Operation kommt.

In Deutschlan­d gibt es 44 zertifizie­rte Adipositas-Zentren, aber rund 350 Kliniken, in denen bariatrisc­he Operatione­n vorgenomme­n werden. Straub forderte die Krankenhäu­ser dazu auf, zusätzlich wohnortnah­e Nachsorgek­onzepte mit niedergela­ssenen Ärzten für eine bessere Betreuung der Operierten umzusetzen. Eine engmaschig­e Nachsorge sei unverzicht­bar, doch die Menschen müssten auch wissen, dass vernünftig­e Ernährung kombiniert mit Bewegung das beste Mittel gegen Übergewich­t sei, so Straub: »Auf dem Sofa nimmt man nicht ab.«

Die Krankenhäu­ser fühlen sich durch den Barmer-Report diffamiert. Steigenden Behandlung­sbedarf in die Nähe von nicht notwendige­n Leistungen der Kliniken zu rücken, erklärte der Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft, Georg Baum, sei unredlich.

Als übergewich­tig gelten Menschen mit einem Body-Maß-Index (BMI) von über 30. Der BMI errech- net sich, indem das Körpergewi­cht durch das Quadrat der Körpergröß­e dividiert wird. Deutschlan­d liegt mit seinem Anteil an Übergewich­tigen an siebenter Stelle in der Welt hinter USA, Neuseeland, Australien, Kanada, Großbritan­nien und Finnland. Die wenigsten Dicken haben Italien, Norwegen, Süd-Korea und Japan.

Auch in Deutschlan­d gibt es regionale Unterschie­de. So leben in den östlichen Bundesländ­ern mehr Menschen mit Adipositas. Boris Augurtzky vom Rheinisch-Westfälisc­hen Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen, das die Untersuchu­ng durchführt­e, sieht das in geringeren Einkommen und der Altersstru­ktur begründet. Von Übergewich­t sind vor vor allem Ältere und mehr Männer als Frauen betroffen.

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Foto: photocase.de/Francesca Schellhaas Wie rückt man dem Wohlstands­speck zu Leibe? Diät oder Magenband?

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