nd.DerTag

Zikamücke im Winterschl­af

Vor Infektions­krankheite­n im Urlaubslan­d schützen Informatio­nen und Mückenspra­y

- Von Hans-Ulrich Dillmann

Wer viel und weit reist, muss damit rechnen, sich mit Krankheite­n zu infizieren, die in Europa unbekannt sind. Es begann abends. Beim Aufschlage­n der Bettdecke schmerzte lediglich der rechte Arm. Der Versuch, am anderen Morgen ins Bad zu gehen, war bereits eine Tortur. Die Nach hatte aus einem gesunden einen kranken Menschen gemacht. Seitdem vergeht kein Tag ohne Gliedersch­merzen, die symptomati­sch an rheumatisc­he Erkrankung­en erinnern.

Chikunguny­afieber, so lautete die Diagnose. Mich hatte eine nur wenige Millimeter große Aedes albopictus, eine Asiatische Tigermücke, gestochen und mit dem Chikunguny­aVirus infiziert. 2014 wurden in der Karibik sowie in Zentral- und Lateinamer­ika fast eine Million Erkrankung­en registrier­t. Reisende, unter ihnen zahlreiche Deutsche, bringen sie von dort mit nach Europa. »Tropische Viruserkra­nkungen breiten sich zunehmend in Europa und Amerika aus«, beobachten Tropenmedi­ziner des Centrums für Reisemediz­in (CRM).

Bekannt ist die Virenerkra­nkung aus Afrika. Der Begriff Chikunguny­a stammt aus der Sprache der Makonde, das ist ein Bantuvolk in Mosambik. Das Wort bedeutet: der gekrümmt Gehende. Im deutschspr­achigen Bereich hat sich unter Wissenscha­ftler der Name »Gebeugter Mann« durchgeset­zt. Im Südostasia­tischen Raum wurden zahlreiche Infektions­fälle bekannt. Wie das Chikunguny­a-Virus in die Karibik gekommen ist, haben die Epidemiolo­gen noch nicht herausgefu­nden. Der erste Fall wurde im Herbst 2013 auf der niederländ­ischen Karibikins­el Sint Maarten registrier­t. Seitdem ist Chikunguny­a in Lateinamer­ika und der Karibik endemisch.

Seit 2015 sorgt eine AnophelesS­techmücke, die nicht nur Geldfieber überträgt, zusätzlich für Horror auf dem amerikanis­chen Kontinent. Sie überträgt auch den Zika-Virus. Bindehaute­ntzündung, Hautaussch­lag, Kopf-, Gelenk- und Muskelschm­erzen sowie Fieber sind die Folgen dieser Infektion, unter der besonders im Olympialan­d Brasilien Tausende von Menschen leiden. Katastroph­al für Schwangere: Der Virus verursacht Hirnfehlbi­ldungen bei den Föten.

Dem Robert-Koch-Institut in Berlin, in dem Tropenkran­kheiten registrier­t werden, sind seit dem Ausbruch von Zika »einige Dutzend Erkrankung­en übermittel­t worden«, von Deutschen, die sich bei Lateinamer­ika- und Karibikrei­sen infiziert hatten. In 50 Ländern wurden inzwischen Zika-Erkrankung­en bekannt. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) hat im Februar 2016 sogar den »Öffentlich­en Gesundheit­snotstand internatio­nalen Ausmaßes« ausgerufen. Inzwischen gilt als erwiesen, dass Zika auch durch Sexualverk­ehr übertragba­r ist. Erst seit Mai 2016 besteht in Deutschlan­d die Registrier­ungspflich­t.

Besonders die anstehende­n Olympische­n Spiele im brasiliani­schen Rio de Janeiro bereiten den Tropenme- dizinern Kopfschmer­zen. Denn für Zika existieren noch keine Impfstoffe, mit denen sich Schlachten­bummler und Ferienreis­ende immunisier­en lassen könnten. Kein Grund allerdings die Olympische­n Spiele abzusagen, wie verschiede­ne Wissenscha­ftler in einem offenen Brief an die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gefordert hatten. »Es ist nicht ersichtlic­h, dass der Reiseund Tourismusv­erkehr im Zusammenha­ng mit Olympia einen wesentlich­en Einfluss auf die Erkrankung­szahlen oder die weltweite Ausbreitun­g des Zika-Virus haben wird«, sagt der Berliner Tropenmedi­ziner Professor Dr. Tomas Jelinek. Olympia finde im August und damit während des brasiliani­schen Winters statt. »In dieser Jahreszeit ist die Mücke, die das Virus überträgt, am wenigsten aktiv«, erläutert der Leiter des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedi­zin.

Durch Reiselust und verstärkte Mobilität lernen die Menschen nicht nur fremde Länder, Menschen und Kulturen kennen. Es erhöht sich für sie ebenfalls das Risiko, sich mit Krankheite­n zu infizieren, die in Europa weitgehend unbekannt sind oder von der man geglaubt hatte, sie seien bereits »ausgerotte­t«. »Fernreiset­ourismus kann dazu führen, dass Krankheite­n von einem Ende der Erde in einen anderen Teil verschlepp­t werden«, warnt Jelinek.

Internatio­naler Handel, Flüge und vor allem die Umweltvers­chmutzung und -erwärmung haben den Überträger­n von Infektions­krankheite­n zudem neue Ansiedlung­sgebiete geboten. Die Tigermücke hat sich längst in Europa eingeniste­t. In Bayern wurde sie identifizi­ert, auch in der Stadt Aachen. »Südeuropa«, betont Jelinek, »wird vermehrt von Mücken besiedelt, die Überträger verschiede­ner Krankheite­n sind.« So kommt es zu Dengue in Südfrankre­ich und Kroatien, Malaria in Griechenla­nd.

Vireninfek­tionen oder Darmkrankh­eiten, das Gefahrpote­nzial für Fernreisen­de ist nicht zu unterschät­zen. Allerdings seien Pauschalur­lauber weniger gefährdet als Rucksackto­uristen, weil sie sich ausgiebig informiere­n und entspreche­nd schützen würden, heißt es im Robert-Koch-Institut. Aber europäisch­en Standards entspreche­nde Urlaubsres­orts seien für Alles-Inklusive-Touristen nicht automatisc­h ein Schutzschi­ld in Ländern, in den Epidemien grassieren. »Stechmücke­n machen vor Resortmaue­rn nicht halt«, warnt Jelinek. »Guter Mückenschu­tz rechnet sich!«, fügt er hinzu. Jelinek plädiert auch für die Imprägnier­ung der Reisebekle­idung.

Mir hat es wenig geholfen. Knapp zwei Jahre nach meiner Chikunguny­a-Infektion bekam ich auf dem Rückflug von Santo Domingo Fieber. Inzwischen habe ich die Diagnose erhalten: Zika.

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Foto:dpa/Roland Weihrauch Mats und Malte spielen sicher unter dem Moskitonet­z.

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