Linke fordern dritten Weg für Türkei
Podiumsdiskussion in Kreuzberg: Neuer demokratischer Block muss Ausweg aus autoritärem Staatsumbau bieten
Nach dem versuchten Militärputsch in der Türkei suchen Linke nach einem Ausweg. »Weder Militär- noch AKP-Diktatur« lautete der Titel einer Veranstaltung in Kreuzberg am Dienstagabend. Darin sind sich die Podiumsteilnehmer einig: Die Türkei sei ein tiefgespaltenes Land, in dem einflussreiche politische Gruppen in einem seit den Gezi-Protesten 2013 anhaltenden faktischen Ausnahmezustand um die Macht ringen.
Am Dienstagabend hatte die Berliner Ortsgruppe der »Interventionistischen Linken« zur Diskussion in den Club SO36 in der Kreuzberger Oranienstraße geladen. »Weder Militär- noch AKP-Diktatur! Putsch und Gegenputsch in der Türkei« lautete der Titel der gut besuchten Veranstaltung. Eingeladen, um ihre Perspektiven und Analyse des versuchten Militärputschs vom 15. Juli in der Türkei darzustellen, waren der Schriftsteller und Journalist Alp Kayserilioğlu, Erkin Erdogan von der linken, pro-kurdischen Partei HDP in Berlin und Songül Karabulut vom Kurdischen Nationalkongress, der sich als demokratische Plattform für einen angestrebten kurdischen Staat versteht.
Ein Bündnis aus Anhängern der so genannten Gülen-Bewegung und sich in der Tradition des türkischen Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk sehenden, kemalistischen Eliten vor allem in Gendarmerie und Luftwaffe hätten aus machtpolitischen Motiven versucht die AKP-Regierung abzusetzen, erklärt Karabulut. Die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen sei sowohl eine religiöse Gruppe, als auch ein mit nicht zu unterschätzendem Kapital ausgestattete einflussreiche politische Organisation, die durch eine »Politik der Infiltration« ihren Einfluss versuche auszubauen. Alp Kayserilioğlu, der normalerweise von Instanbul aus als Redakteur für den deutschsprachigen, antiimperialistischen Blog »Lower Class Magazine« arbeitet, spricht von einer »dilettantischen« Ausführung, als die aufständischen Soldaten an jenem Freitagabend strategisch wichtige Orte in den Großstädten wie die Bosporusbrücke und den Flughafen in Istanbul besetzten und das Parlament in Ankara angriffen. Die putschenden Generäle hätten bei einer turnusmäßig bevorstehenden Sitzung des türkischen Militärrats um ihre Kommandofunktionen bangen müssen, da ihre Pläne aufgeflogen seien, hätten sie die Aktion vorziehen müssen.
Ausschlaggebend dafür, dass es der Regierung gelungen sei, den Putsch noch in derselben Nacht niederzuschlagen, erläutert HDP-Aktivist Erin Erdogan, sei die schnelle Straßenmobilisierung der AKP-Anhänger gewesen.
Die Podiumsteilnehmer betonen einhellig die Notwendigkeit eines »neuen Blocks« linker, demokratischer Kräfte, der einen »dritten Weg« zwischen putschendem Militär und dem autoritären Staatsumbau der Erdogan-Regierung durchsetzen müsse.
Von der deutschen Linken erhoffe sie sich vor allem Solidarität, die »den Widerstand vor Ort« stärke, so Karabulut. Es gelte aber auch, die deutsche Bundesregierung unter Druck zu setzen, die die mit Erdogan geschlossene »Vereinbarung zur Flüchtlingsabwehr« mit ihrem Schweigen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen insbesondere gegen die Kurden erkauft hätte. Ein erster Schritt hierzu könnte am 2. September folgen. Für den Tag hat das Blockupy-Bündnis einen Aktionstag in Berlin geplant, bei dem auch der »Flüchtlings-Deal« zwischen Bundesregierung und türkischer Regierung thematisiert werden soll.