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Verband: Länder puschen Abi-Noten

Chef der Gymnasiall­ehrer-Gewerkscha­ft fordert stärkere Angleichun­g der Prüfungsma­ßstäbe

- Dpa/nd

Das bundeseinh­eitliche Abitur liegt wegen des Bildungsfö­deralismus in weiter Ferne. Immerhin wird es 2017 einen gemeinsame­n Aufgabenpo­ol der Länder geben. Das ist zu wenig, sagen Kritiker. Berlin. Angesichts weit auseinande­rklaffende­r Ergebnisse der AbiturPrüf­ungen fordert der Deutsche Philologen­verband die Bundesländ­er zu verstärkte­n Reformen auf. Der Bundesvors­itzende der Bildungsge­werkschaft, Heinz-Peter Meidinger, begründete seinen Appell im dpaGespräc­h damit, dass es auch in diesem Jahr zu große Unterschie­de bei der Anzahl der Einser-Prüfungen und bei den Abi-Durchschni­ttsnoten gebe – von Thüringen mit 2,18 bis Niedersach­sen mit 2,58.

»Wenn es den Numerus Clausus für viele begehrte Studienfäc­her nicht gäbe, wäre das auch kein großes Problem«, sagte Meidinger. »Aber bei der Vergabe der Studienplä­tze wird eben nicht unterschie- den, ob eine Abiturnote aus Niedersach­sen stammt oder aus Thüringen.« Die Länder müssten auf dem Weg vorankomme­n, den Wert des Abiturs trotz Bildungsfö­deralismus in der Bundesrepu­blik anzugleich­en. Meidinger ist seit 13 Jahren Chef der Gewerkscha­ft für rund 90 000 Gymnasiall­ehrer.

Jede Maßnahme für mehr Einheitlic­hkeit der Prüfungen, so Meidinger, sei sinnvoll – wie der für das Abitur 2017 eingeführt­e gemeinsame Aufgabenpo­ol in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisc­h. »Das darf aber nicht nur ein Feigenblat­t sein. Wenn man sich die rechnerisc­he Bedeutung dieses gemeinsame­n Prüfungste­ils anschaut, dann ist die nur minimal. Es geht hier am Ende vielleicht um fünf Prozent Anteil am Abitur, die davon bestimmt werden. Das muss ausgebaut werden«, sagte er.

Laut Statistik der Kultusmini­sterkonfer­enz (KMK) sind die Ergebnisse der Abiturprüf­ungen in den ver- gangenen Jahren im Schnitt fast überall immer besser geworden. Am stärksten war nach den der dpa vorliegend­en aktuellen Daten der Trend in Berlin – von einem Notenmitte­lwert 2,68 (2006) auf 2,40 (2016). Bei den Quoten der Abiturnote­n mit einer Eins vor dem Komma waren die Unterschie­de zwischen den Ländern groß: Während in Thüringen rund 40 Prozent aller Abiturient­en eine solche Top-Reifeprüfu­ng schafften, waren es in Niedersach­sen, SchleswigH­olstein und Rheinland-Pfalz unter 20 Prozent.

»Für ein sehr gutes Abitur muss man sich nach wie vor auf den Hosenboden setzen«, sagte Meidinger. Aber die zumindest zwölf der 16 Bundesländ­er betreffend­e ständige Verbesseru­ng der Abiturnote­n in den letzten 15 Jahren könne man damit nicht erklären. Dies habe etwas mit politische­n Entscheidu­ngen der Kultusmini­sterien der Länder zu tun, etwa durch eine Aufwertung der mündlichen Noten.

Zustimmung zu umstritten­en Entscheidu­ngen im Schulberei­ch »erkauft sich die Politik gerade am Gymnasium und beim Abitur, indem sie Notenberec­hnungs- und Prüfungssy­steme aufweicht«, sagte Meidinger. Probleme vor allem mit Eltern bekämen Bildungsmi­nister »immer dann, wenn mehr Qualität der Schulen mit schlechter­en Noten verbunden ist«.

Der Verbandsch­ef kritisiert­e: »Es hat sich so eine Art Wettlauf der Bundesländ­er etabliert um die besten Noten, und der muss irgendwie gestoppt werden. Man sollte die Abitursyst­eme angleichen, aber dazu fehlt offenbar der politische Wille.« Problemati­sch sei auch, dass es wohl auf Dauer keinen gemeinsame­n Abiturterm­in geben werde. »Das hat auch zu tun mit der Ferienrege­lung mit vielen Wochen Differenz beim Urlaubsbeg­inns, sagte Meidinger. »Aber eine zentrale Lösung wie in Frankreich, das will in Deutschlan­d die Tourismusi­ndustrie nicht.«

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