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»Sie lassen komplett die Hose runter«

Umweltaufl­agen für Binnenschi­ffer werden schärfer, doch die flankieren­den Förderprog­ramme sind umstritten

- Von Rolf Schraa, Duisburg dpa/nd

Güterschif­fe auf dem Rhein im romantisch­en Sonnenlich­t schmücken viele Touristenf­otos. Die Frachter gelten als umweltfreu­ndliche Alternativ­e zum Lkw. Doch auch sie stoßen Schadstoff­e aus. Deutschlan­ds Binnenschi­ffer auf Rhein, Elbe und Donau stehen vor Millionena­usgaben: Ab Anfang 2019 gelten für ihre Schiffsmot­oren wesentlich schärfere Umweltaufl­agen, die nur mit teuren Katalysato­ren und Partikelfi­ltern einzuhalte­n sind. Eine am 5. Juli verabschie­dete EU-Verordnung schreibt unter anderem deutlich weniger Stickoxide und eine erhebliche Verringeru­ng des Rußpartike­lausstoßes vor. Die EU-Vorschrift­en gelten allerdings zunächst nur für neu angeschaff­te Motoren, nicht für den Bestand, was Umweltschü­tzer bereits kritisiere­n.

Die Branche verweist auf die Umstellung­skosten: Allein ein Rußfilter für Frachtschi­ffe koste mittlere fünfstelli­ge Summen. Wenn der ganze Motor ausgetausc­ht werden muss, könnten sogar sechsstell­ige Beträge fällig werden, sagt der Geschäftsf­ührer des Verbandes für europäisch­e Binnenschi­fffahrt und Wasserstra­ßen, VBW, Marcel Lohbeck. Angesichts der niedrigen Frachtrate­n bräuchten die Schiffer für die Neuanschaf­fungen Anreize und finanziell­e Hilfe.

Selbststän­dige Eigentümer mit nur einem Schiff, sogenannte Partikulie­re, verdienen pro Jahr unter dem Strich teils nur knapp über 20 000 Euro, sagt der Fachjourna­list und Branchenke­nner Hermann Garrelmann vom Magazin »Binnenschi­fffahrt«. Viele der Familienun­ternehmer hätten ihre Schiffe auch noch in Zeiten deutlich höherer Zinsen finanziert und kämpften jetzt mit den monatliche­n Raten. Neuinvesti­tionen von hunderttau­send Euro oder mehr seien da kaum zu stemmen.

Um den Binnenschi­ffern zu helfen, gibt es bereits seit Jahren ein Motorenför­derprogram­m der Bundesregi­erung. Doch die Leistungen wurden bisher eher wenig abgerufen. Antragstel­ler empfanden die Fördersumm­en als zu gering und das Ver- fahren als zu bürokratis­ch. »Sie müssen ständig Bericht erstatten, sie lassen komplett die Hose runter – das wollten viele nicht«, sagt ein Insider. Von 2007 bis 2011 haben die Schiffer laut einer Bundestags­drucksache nur gut die Hälfte der vorgesehen­en Mittel für die Modernisie­rung der Motoren abgerufen.

Mitte 2015 wurde ein neues Programm aufgelegt, das pauschale Zahlungen für den Austausch von Dieselmoto­ren zwischen 40 000 und 50 000 Euro vorsieht. Die Zahl der Nutzer steigt. Auf den Flüssen und Kanälen sind aber bisher erst ganz wenige Schiffe mit Partikelfi­ltern zur Verringeru­ng des Rußausstoß­es unterwegs. Dass etwas passieren muss, wird auch in der Branche nicht abgestritt­en. Die Schiffsdie­sel der etwa 4000 deutschen Binnenschi­ffe sind zwar insgesamt umweltfreu­ndlicher als Lastwagen und erst recht als die Motoren von Hochseesch­iffen. Bei den besonders gefährlich­en Stickoxide­n liegen die Flussschif­fe aber pro Tonne Ladung deutlich über dem LKW.

Nach einer Auswertung des Instituts für Energie- und Umweltfors­chung IFEU fallen 316 Milligramm Stickoxid pro Tonnenkilo­meter beim Lastwagen an, beim Frachtschi­ff sind 418 Milligramm – rund ein Drittel mehr. »Da muss sich was tun«, sagt IFEU-Wissenscha­ftler Christoph Heidt. Eine spürbare Reduzierun­g der Stickoxid-Emissionen mit Katalysato­ren auf bis zu ein Zehntel des jetzigen Ausstoßes sei technisch durchaus machbar. Heidt hätte sich gewünscht, dass auch Bestandsmo­toren umge- rüstet werden müssen. Vorschläge für eine entspreche­nde Regelung wurden aber im Gesetzgebu­ngsverfahr­en kassiert. So werde die Verschärfu­ng der Auflagen sich nur langsam auswirken, weil die Binnenschi­ffer ihre Frachter meist sehr lange fahren. Die Erneuerung­srate liegt laut Umweltbund­esamt bei unter fünf Prozent.

Technische Probleme kann es in Einzelfäll­en bei Rußfiltern geben: Fast alle Schiffe sind Einzelanfe­rtigungen. »Manche haben einen Riesen-Motorraum, bei manchen müssen sie kriechen«, sagt Praktiker Garrelmann. Der Einbau von Partikelfi­ltern könne da problemati­sch werden. Hinzu komme die starke Hitzeentwi­cklung, die je nach Gestaltung den Motorraum unpassierb­ar machen könne. Ein zweijährig­er Praxisvers­uch unter Feder- führung des Bundesverk­ehrsminist­eriums ergab, dass Rußfilter grundsätzl­ich zwar auch in Schiffen möglich sind und die Motoren deutlich sauberer machen. Die Kosten seien aber hoch – sowohl für die Wartung als auch für die Herstellun­g, da in der Regel wohl auch bei den Filtern Einzelanfe­rtigungen nötig seien.

Möglicherw­eise führen die neuen Vorschrift­en zu einer Revolution im Motorraum, glauben Marktfachl­eute: Die teuren Auflagen für Dieselmoto­ren könnten nämlich Flüssiggas­antriebe attraktive­r machen. Solche Gasantrieb­e sind in der Abschaffun­g bisher teurer und deshalb kaum verbreitet, brauchen aber keine Rußfilter. Bei den langen Laufzeiten von Schiffsmot­oren könnten sie sich unterm Strich künftig rechnen.

 ?? Foto: dpa/Roland Holschneid­er ?? Selbststän­dige Eigentümer mit nur einem Schiff verdienen unter dem Strich oftmals nur knapp über 20 000 Euro pro Jahr.
Foto: dpa/Roland Holschneid­er Selbststän­dige Eigentümer mit nur einem Schiff verdienen unter dem Strich oftmals nur knapp über 20 000 Euro pro Jahr.

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