Was in Serbien geschah ...
Ivan Ivanji ist »Stalins Säbel« auf der Spur
Dass Stalin Tito, als dieser noch nicht in Ungnade gefallen war, einen kostbaren, edelsteinbesetzten Säbel vermachte, ist verbürgt. Dass dieser Säbel in den Wirren des untergehenden Jugoslawien auf geheimnisvolle Weise abhanden kam, ist ebenfalls eine Tatsache. Alles andere, was Ivan Ivanji drumherum erzählt, ist Fiktion. Und was für eine!
Es scheint, als habe das komplette Strafgesetzbuch bei der Niederschrift Pate gestanden, denn es geht in seinem Roman um Mord und Totschlag, um Spionage, um Diebstahl, um Hehlerei, um Betrug, um Prostitution, um Einbruch, um Drogen- und Menschenhandel, um Schmuggelei, um Terrorismus und so weiter, und so weiter. Wer für den Literaturkunde-Unterricht ein Lehrbeispiel für den Kolportageroman sucht, ist mit diesem Buch bestens bedient!
Dabei ist die verwirrende und verworrene, nicht immer ganz widerspruchsfreie Story, die sich in der Hauptsache weniger um den titelgebenden Säbel als um gefährliche, in Serbien zu entwickelnde Todesstrahlen dreht, äußerst spannend erzählt, und man mag das Buch kaum aus der Hand legen, bevor nicht auch die letzte Seite »geschafft« ist.
Der Senior der serbischen Literatur, der aus einer jüdischen Ärztefamilie stammt, in Auschwitz und Buchenwald inhaftiert war, hat 20 Jahre als Dolmetscher Titos seine Erfah- rungen gesammelt und auch Werke deutscher Autoren ins Serbische übersetzt. Er lebt in Wien und Belgrad. In seinem rasanten Politthriller geht er mit seinem Staat hart ins Gericht: »Was in Serbien zwischen 1992 und 2000 passiert ist, war keine Politik mehr, sondern die Verquickung von Polizei, Justiz und Regierung mit paramilitärischen Gruppen und der Verbrecherwelt, wie das sonst vielleicht nur in Südamerika existiert.«
Nun, die fertig entwickelte Formel für die alles vernichtenden Todesstrahlen geht gerade noch rechtzeitig verloren, bevor sie in die falschen Hände gelangt. Die Menschheit darf aufatmen.
Was aber hat es mit Stalins Säbel auf sich? Der liegt am Ende in gleich dreifacher Ausfertigung vor – drei mehr oder weniger perfekte Nachbildungen. Und das Original? Hier schweigt der Autor und lässt den Leser allein mit der nur vage begründeten Vermutung, dass es sich wohlverwahrt in einem Belgrader Museum befinden könnte. Belgrad-Reisende werden um sachdienliche Hinweise gebeten.
Dem Leser, der sich bis zur letzten Seite durchgearbeitet hat, fehlt leider als Anhang eine Art Bastelbogen, enthaltend gefühlte 2000 Kommata, die er ausschneiden und dort einkleben kann, wo sie zu setzen vom Autor bzw. dem Verlagslektor versäumt wurden.