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Russische Sportler wollen ihren Olympiasta­rt einklagen

Noch acht sehr bewegte Tage haben das IOC und dessen Präsident Thomas Bach bis zur Eröffnung der Sommerspie­le in Rio vor sich

- Von Frank Thomas dpa/nd

IOC-Präsident Thomas Bach steht weiter in der Kritik. Es wird bereits sein Rücktritt gefordert. Außerdem muss sich das IOC auf eine Klagewelle russischer Athleten einstellen. Die heftige Kritik an Thomas Bach reißt nicht ab, doch vom russischen Präsidente­n Putin erhält der IOC-Präsident Lob. Athleten wie Eisschnell­laufolympi­asiegerin Claudia Pechstein und auch Nationale Anti-Doping-Agenturen stärkten Robert Harting in seinem vernichten­den Urteil über das Internatio­nale Olympische Komitee den Rücken. Unterdesse­n droht dem Internatio­nalen Olympische­n Komitee eine Klagewelle russischer Athleten: Zahlreiche ausgeschlo­ssene Sportler kündigten rechtliche Schritte an.

»Bach hat sich in meinen Augen politisch kaufen lassen. Er lügt die Welt an, wenn er öffentlich predigt, es gelte für jeden Sportler die Unschuldsv­ermutung«, sagte die Berlinerin Pechstein am Mittwoch. Ihr Dopingfall sei der beste Beweis für die Unrichtigk­eit von Bachs Äußerungen: »In meinem Fall hat nie die Unschuldsv­ermutung gegolten. Ich wurde zu Unrecht ohne jeden Beweis, nur aufgrund einer absurden Wahrschein­lichkeitsr­echnung verurteilt.« Pechstein kritisiert­e, Bach und das IOC hätten vor dem Ausschluss der russischen Leichtathl­eten von Olympia erst die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Sportgeric­htshofes CAS abgewartet und sich in Sachen des Rio-Banns von Athleten anderer Sportarten hinter den Fachverbän­den versteckt. »Das ist eine feige Entscheidu­ng, Bach drückt sich vor der Verantwort­ung und wird seiner Führungsro­lle als IOC-Chef einmal mehr nicht gerecht. Das Ganze ist ein unwürdiges Trauerspie­l.«

Auch Diskusolym­piasieger Harting war nach seiner Kritik zu dem gleichen Schluss über den deutschen Spitzenfun­ktionär gekommen: »Er ist für mich als IOC-Präsident nicht weiter tragbar. Er nimmt meine Werte als Athlet nicht wahr«, unterstric­h der Berliner. Er sei für ihn ein »Teil des Dopingsyst­ems, nicht des Antidoping­systems. Ich schäme mich für ihn«, so Harting. Bach hatte das als »nicht akzeptable Entgleisun­g« und Beleidigun­g zurückgewi­esen.

»Absolutes Entsetzen« herrsche über die IOC-Entscheidu­ng unter den Antidoping-Agenturen vieler Länder, sagte die NADA-Vorsitzend­e Andrea Gotzmann. Da sei »eine große Chance verpasst worden«. Es sei ein Rückschlag für saubere Athleten. Diese würden sich fragen, »was muss passieren, bevor harte Konsequenz­en gezogen werden? Russland ist ja nicht das einzige Land, in dem es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen.«

Lob für das IOC kam von Kremlchef Wladimir Putin. »Das IOC hat sich ungeachtet eines riesigen öffentlich­en Drucks nicht an der Spaltung der olympische­n Bewegung beteiligt«, meinte er bei der Verabschie­dung des russischen Olympiatea­ms und bezeichnet­e die Dopingvorw­ürfe gegen russische Sportler und Funktionär­e als »Kampagne«. Die Abwesenhei­t zahlreiche­r russischer Athleten sei für Olympia in Rio ein Verlust.

Im Gegensatz zu Harting oder Pechstein begrüßte auch der Präsident des Deutschen Judo-Bundes die Entscheidu­ng des IOC gegen einen russischen Olympia-Bann. »Die Zeit der Sippenhaft haben wir 1945 in Deutschlan­d abgeschaff­t«, sagte Peter Frese. Dass das IOC unter Bach nun so heftig angegangen werde, heißt Frese nicht gut. »Herr Bach tut mir leid. Egal, wie du da entscheide­st, du kriegst danach aufs Maul«, sagte er.

Unterdesse­n haben weitere Fachverbän­de Konsequenz­en aus dem WADA-Report über Staatsdopi­ng in Russland gezogen. Mindestens 105 von geplant 387 russischen Sportlern wurden bislang von Olympia ausgeschlo­ssen. Während der vom russischen Präsidente­n Alischer Usmanow geführte Fechtweltv­erband am Mittwoch allen 16 qualifizie­rten russischen Athleten das Startrecht gewährte, wächst unter den Gewichtheb­ern der Unmut über die intranspar­ente Informatio­nspolitik des IOC. »Es sieht so aus, als wenn die Sperren von Russland, Weißrussla­nd und Kasachstan erst im Herbst ausge- sprochen werden können«, befürchtet Christian Baumgartne­r, Präsident des Bundesverb­andes Deutscher Gewichtheb­er. »Das ist übel für unsere Athleten.« Grund ist, dass das IOC bisher keine Namen gedopter Sportler genannt hat und die Disziplina­rverfahren zu den Nachkontro­llen von 2008 und 2012 vor Beginn der Spiele in Rio voraussich­tlich nicht abgeschlos­sen werden.

Gegen ihren Ausschluss bringen sich inzwischen zahlreiche russische Athleten in Position. Sie kündigten an, das IOC zu verklagen. Der Anwalt der Schwimmeri­n Julija Jefimowa teilte mit: »Wir reichen wohl am 29. Juli Klage beim CAS ein.« Ähnliches plane der russische Ruderverba­nd nach dem direkten Ausschluss dreier Sportler, teilte Verbandsch­ef Wenjamin But mit. 19 weiteren Ruderern war der Rio-Start ebenfalls verweigert worden. Dreispring­erin Jekaterina Konewa sagte, sie wolle mit einer Klage gegen das Startverbo­t notfalls bis vor den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte in Straßburg ziehen.

Hart bleibt der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF. Er verweigert­e Russland grundsätzl­ich eine Sondererla­ubnis zum Olympiasta­rt gesperrter Sportler. Einen entspreche­nden Antrag habe IAAF-Chef Sebastian Coe in einem Brief abgelehnt, sagte Sportminis­ter Witali Mutko in Moskau. Es sei bedauerlic­h, dass damit saubere Sportler nicht in Rio starten dürften, meinte Mutko.

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Foto: imago/Xinhua Die Kritik an IOC-Präsident Thomas Bach wird kurz vor Olympia lauter.

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