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Der europäisch­e Mr. Brexit

- Von Guido Speckmann

Die Reaktionen in England waren harsch: Von einer Kriegserkl­ärung sprach der Leitartikl­er des Boulevardb­latts »Sun«, Tom Newton. Eine deutlicher­e anti-britische Person sei kaum denkbar. Was Newton so in Rage brachte, war die Ernennung des Franzosen Michel Barnier zum EU-Verhandlun­gsführer für die Austrittsg­espräche mit Großbritan­nien. EU-Kommission­schef Jean-Claude Junker sprach von einer »wichtigen und herausford­ernden Aufgabe« für seinen 65-jährigen »Freund« Barnier. Er zeigte sich sicher, dass Barnier ihnen helfen werde, eine neue Partnersch­aft mit dem Vereinigte­n Königreich nach dem Brexit zu entwickeln. »Ich wollte einen erfahrenen Politiker für diese schwierige Aufgabe«, so Juncker.

Dieses Kriterium erfüllt der Konservati­ve. Barnier war französisc­her Umwelt-, Agrar- und Außenminis­ter. Ein Jahrzehnt lang war der als gut vernetzt und als überzeugte­r Europäer geltende Politiker in Diensten der EU tätig. Bis 2014 war er zuständig für Binnenmark­t und Finanzdien­stleistung­en. In den Ruch des Lobbyismus für französisc­he Wasserkonz­erne geriet er mit seinem Vorhaben, die Wasservers­orgung liberalisi­eren zu wollen. Nach Protesten europäisch­er Bürgerinit­iativen zog er die entspreche­nde Richtlinie im März 2013 zurück. Den Un- mut der britischen Banker zog er sich mit dem Aufbau der europäisch­en Bankenunio­n und stärkeren Regulierun­gen zu. Die negativen Reaktionen in England auf seine Ernennung dürften hierin begründet sein. Die Londoner Finanzszen­e habe Barnier damals regelrecht »dämonisier­t«, sagte Jacques Lafitte von der Investment-Beratergru­ppe Avisa der Nachrichte­nagentur AFP.

Im Oktober tritt Barnier sein Amt als »europäisch­er Mr. Brexit« an. Irgendwann wird er dann auf einen alten Bekannten treffen. Der britische Mr. Brexit, Tory-Veteran David Davis, ist ihm aus gemeinsame­n Tagen in Brüssel Mitte der 1990er Jahre bekannt. Bevor es richtig losgehen kann, muss das Königreich allerdings das Austrittsg­esuch einreichen. Wahrschein­lich Ende des Jahres.

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Foto: dpa/Matteo Bazzi Michel Barnier wird für die EU die Brexit-Verhandlun­gen führen.

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