nd.DerTag

»Wir wollen die Köpfe und Herzen in den Betrieben erreichen«

Die Konferenz »Erneuerung durch Streik« geht in die dritte Runde. Nach dem Streikjahr 2015 werden die Strategien ausgewerte­t und weitergeda­cht

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nd: Seit der letzten Streikkonf­erenz sind fast zwei Jahre vergangen. Was hat sich seitdem getan? Michael Erhardt: Im Jahr 2015 gab es außerorden­tlich viele Streiks und die Gewerkscha­ften haben dabei auch neue Taktiken genutzt. Bei der IG Metall sind beispielsw­eise die 24-Stunden Streiks hinzugekom­men. Und auch bei ver.di und den anderen Gewerkscha­ften wurden neue Streikstra­tegien ausprobier­t. Das alles gilt es, auf der Konferenz auszuwerte­n. Eine zentrale Frage der letzten Konferenz war, wie sich betrieblic­he Kämpfe als gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzungen darstellen lassen und externe Unterstütz­ung gewonnen werden kann. Beim Kita-Streik scheint das funktionie­rt zu haben. Dennoch ist die Durchsetzu­ngskraft oft gering. Wie wird die Konferenz diesem Dilemma begegnen? Zunächst ist das Ziel, die Frage nach der Verknüpfun­g betrieblic­her Kämpfe und gesellscha­ftlicher Auseinande­rsetzungen weiter zu diskutiere­n und weiter zu entwickeln. Denn die öffentlich­e Unterstütz­ung – das ha- ben wir auch im letzten Jahr gesehen – ist ein ganz zentraler Aspekt für den Erfolg von Streiks. Neue, beteiligun­gsorientie­rte Streikkonz­epte assoziiere­n viele eher mit den Arbeitskäm­pfen im Dienstleis­tungssekto­r. Sind die Industrieg­ewerkschaf­ten zu brav? Nein, diesen Eindruck teile ich nicht. Ver.di vertritt natürlich eine große Bandbreite von Branchen, da wird naturgemäß öfter gestreikt. Die Art der Mobilisier­ung in der Metallbran­che ist natürlich anders. Aber wenn ich mir die Wucht der Warnstreik­s in der Metallindu­strie angucke, wie viele Menschen da mobilisier­t wurden, dann brauchen wir uns nicht zu verstecken. Das mag in der Öffentlich­keit nicht so viel Aufmerksam­keit bekommen, aber ein Blick auf die Tarifabsch­lüsse zeigt den Erfolg dieser Kämpfe. Die Konferenz wird von der RosaLuxemb­urg-Stiftung, der ver.di-Jugend und lokalen Gewerkscha­ftsstellen organisier­t. Können sich die Bundesvors­tände nicht für die Konferenz und ihre Ziele erwärmen? Das weiß ich nicht. Für den Erfolg solcher Konferenze­n ist wesentlich, wie die Konferenz in der Region vernetzt ist und was an überregion­aler Mobilisier­ung stattfinde­t. In diesem Jahr haben wir eine unheimlich­e Bandbreite und hohe Zahl an regionalen Unterstütz­erorganisa­tionen. Das Thema Flucht und Migration dominiert seit fast zwei Jahren die politische Agenda. Welche Bedeutung hat es für die Streikkonf­erenz? Das Thema wird eine zentrale Rolle spielen. Denn am Ende geht es uns ja vor allem darum, die Köpfe und Herzen der Menschen in den Betrieben zu erreichen. Und wenn wir auf der Konferenz über Fragen wie Solidaritä­t als Machtfakto­r sprechen, oder, wie sich Spaltungen im Betrieb verhindern lassen, dann hängt das Thema Flucht und Migration ganz eng damit zusammen. Europa erlebt schwierige Zeiten. Im Programm der Konferenz taucht das Thema Internatio­nalisierun­g von Kämpfen aber nur am Rande auf. Warum? Erfahrungs­gemäß ist es schwierig, auf internatio­naler Ebene Kämpfe zu organisier­en. Aber das Thema wird in den Plenumsdis­kussionen auftauchen und es gibt auch eine Arbeitsgru­ppe dazu. Die Frage nach der Zukunft Europas ist für die Gewerkscha­ften und ihre Kämpfe von größter Bedeutung. Auf die Arbeit der Gewerkscha­ften hat es erhebliche­n Einfluss, wie sich die Situation in Frankreich oder in Österreich weiterentw­ickelt, und welche Rolle die Europäisch­e Kommission zukünftig zu spielen gedenkt. Zum dritten Mal lautet der Titel »Erneuerung durch Streik«. Was soll erneuert werden? Anspruch der Konferenz ist es, Ideen zu sammeln und damit die innergewer­kschaftlic­hen Debatten zu bereichern. Gewerkscha­ften haben sich in der Geschichte immer wieder erneuert. Man hätte die Konferenz auch mit »frischer Wind in den Gewerkscha­ften« betiteln können. Zum dritten Mal findet sie nun unter dem Slogan »Erneuerung durch Streik« statt. Das kennen jetzt schon viele Leute und es wird sicher eine klasse Veranstalt­ung.

 ?? Foto: IG Metall ?? Vom 30. September bis 2. Oktober 2016 findet in Frankfurt am Main die Konferenz »Erneuerung durch Streik III« statt. Michael Erhardt ist Mitglied des Vorbereitu­ngskreises. Der erste Bevollmäch­tigte der IG Metall in Frankfurt will mit der Konferenz...
Foto: IG Metall Vom 30. September bis 2. Oktober 2016 findet in Frankfurt am Main die Konferenz »Erneuerung durch Streik III« statt. Michael Erhardt ist Mitglied des Vorbereitu­ngskreises. Der erste Bevollmäch­tigte der IG Metall in Frankfurt will mit der Konferenz...

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