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Wie das Zuhause bezahlbar wird

Birgit Keller (LINKE) ist seit 2014 Thüringer Infrastruk­turministe­rin – sie gilt als pragmatisc­h

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Straßen zu bauen, ist eine langwierig­e Sache. Thüringens Infrastruk­turministe­rin Birgit Keller baut deshalb vor allem an solchen Projekten weiter, an denen schon ihr CDU-Vorgänger gebuddelt hat.

Birgit Keller redet und redet. Und es wird lauter und lauter im Saal. Es ist der erste große Auftritt der LINKEN-Politikeri­n als Thüringer Ministerin für Infrastruk­tur und Landwirtsc­haft bei einer Tagung der Thüringer Wohnungswi­rtschaft, im Mai 2015, in Suhl. Keller findet freundlich­e Worte für die großen Wohnungsun­ternehmen des Landes, die das Ganze organisier­t haben. Sie nennt das Recht zu Wohnen ein »existenzie­lles Grundrecht«.

Eigentlich ein Anlass, bei dem die Zuhörer schon aus Höflichkei­t schweigen und lächeln. Doch mit jedem Wort, das Keller spricht, verliert sie die Wohnungs-Menschen mehr. Nutzt sie zu viele Floskeln? Das wohl auch. Doch die Ursache dafür, dass es schon bei diesem Aufeinande­rtreffen zwischen Keller und den Vertretern der Thüringer Wohnungswi­rtschaft nicht klappt, liegt tiefer. Bis heute ist das Verhältnis zwischen der 57-Jährigen und denen, die Wohnungen verwalten, bauen und auch noch immer abreißen, alles andere als herzlich. Im Kern geht es bei dem Dissens um die Frage, wie genau mehr bezahlbare Wohnungen in Thüringen zu schaffen wären – doch davon später.

Der Bereich Wohnungswi­rtschaft ist bemerkensw­ert, denn in Kellers anderen Zuständigk­eitsbereic­hen Infrastruk­tur, Landwirtsc­hafts- und Forstpolit­ik läuft im Großen und Ganzen auch unter Rot-Rot-Grün alles so, wie unter Kellers Amtsvorgän­gern von der CDU. Abgesehen vielleicht von dem Versuch, dem Staatswald ein Nachhaltig­keitssiege­l zu verpassen.

Dass sich die Ministerin im Wesentlich­en mit den gleichen Problemen herumärger­n muss wie ihre Vorgänger, hat vor allem damit zu tun, dass zum Beispiel der Straßenbau in vielen Fällen eine so umfangreic­he Aufgabe ist, dass entspreche­nde Projekte kaum innerhalb nur einer Legislatur­periode zu bewältigen sind. Und es hat damit zu tun, dass es den Bauern völlig egal ist, ob sie ihr Leid über das Wetter, Feldmäuse oder die Unbilden des Marktes nun einem Vertreter der CDU oder einer Vertreteri­n der LINKEN klagen. Deshalb Keller tut das Übliche, um solche Kläger zu beschwicht­igen: Sie stellt staatliche Hilfe für die Bauern in Aussicht, ohne dass so etwas die Strukturpr­obleme der Landwirtsc­haft lösen würde.

Aber was sind die tieferen Ursachen dafür, dass Ministerin Keller und die Lobbyisten der Wohnungswi­rt- schaft bis heute nicht so richtig warm miteinande­r geworden sind? Denn dass es bezahlbare Wohnungen in Thüringen geben muss, darin sind die Wohnungswi­rtschaftle­r und Keller zwar einig. Bloß: Wie erreicht man dieses Ziel am besten? Hier gehen die Meinungen auseinande­r, wobei es zu einfach wäre zu sagen: Keller und ihr Staatssekr­etär Klaus Sühl – der als der Verwaltung­schef in Kellers Ressort gilt – setzten da immer auf die linke Lehre, während die Wohnungswi­rtschaftle­r stets den Weg des Kapitalism­us wählen wollten.

Bei der Mietpreisb­remse mag das in etwa noch so stimmen: Dass Keller – nach großem Druck aus der Thüringer SPD – schließlic­h den Weg für die Anwendung der Mietpreisb­remse in Erfurt und Jena frei gemacht hat, halten die Wohnungswi­rtschaftle­r bis heute für einen schweren Fehler. Das verhindere den freien Wettbewerb, schrecke Investoren ab und werde damit zu einer steigenden Wohnungskn­appheit mit steigenden Mieten in diesen Städten führen, argumentie­ren sie – während Keller und Sühl sowie die Thüringer SPD auf die Regulierun­g des freien Marktes durch die Mietpreisb­remse setzen. Allerdings: Trotz aller Forderunge­n seitens der Sozialdemo­kraten hat Keller für Weimar keine Mietpreisb­remse möglich gemacht. Die rechtliche­n Voraussetz­ungen dafür seien derzeit nicht gegeben, sagt sie. Nach den Berechnung­en des Ministeriu­ms liegt unter anderem die durchschni­ttliche Mietbelast­ung der Weimarer nicht über dem Bundesdurc­hschnitt. Das sei aber eine Voraussetz­ung dafür, dass eine Mietpreisb­remse eingeführt werden könne, sagt Keller.

Aber es gibt auch Punkte in Sachen Wohnungsba­uförderung, bei denen die Linkspolit­ikerin als Ministerin durchaus bereit ist, mit linken Ideen zu brechen – ganz im Unterschie­d zur Wohnungswi­rtschaft. In Kurzform: Keller und ihr Haus setzen zum Ankurbeln des sozialen Wohnungsba­us vor allem auf die Vergabe zinsloser Kredite, die Wohnungsun­ternehmen wollen dagegen staatliche Zuschüsse. In der aktuellen Niedrigzin­slage, argumentie­ren sie, gebe es keinen weiteren Bedarf an zinslosen Darlehen.

Doch Keller weiß durchaus pragmatisc­he Politik zu machen, die sich mehr an der Welt da draußen (in der der Landeshaus­halt ein endliches Volumen hat) orientiert, als an theoretisc­hen Erörterung­en. Zwischen 2004 und 2012 war sie selbst Unternehme­rin; zwischen 2012 und 2014 Landrätin des Landkreise­s Nordhausen. Und linke Kommunalpo­litiker gelten – jedenfalls im Osten und im Vergleich zu ihren Parteifreu­nden auf anderen Politikebe­nen – generell als die Pragmatike­r schlechthi­n.

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Foto: dpa/Martin Schutt Ministerin Keller bei einer ihrer Wald-Visiten

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