Im Wald mit Burt Bacharach
Mit kurzen Pausen haben JaKönigJa es nicht so. Zwischen »Tiefsee« und »Ebba« lagen sieben Jahre, zwischen dem letzten Album »Die Seilschaft der Verflixten« und dem soeben erschienenen »Emanzipation im Wald« liegen sogar acht. Die Veröffentlichungspraxis von Ebba und Jakobus Durstewitz aus Hamburg ist gewissermaßen schönster AntiMainstream. Wie Musik, Texte und Gesang passt sie hervorragend zu jener programmatischen Zeile, die Ebba Durstewitz in dem vor elf Jahren erschienenen Song »Sei hochwohlgeboren« singt: »Hauptsache ist doch, es wird nicht gewöhnlich.«
Ungewöhnlichkeit um jeden Preis ist natürlich pubertär. Glücklicherweise sind die beiden erwachsen. Den Preis bestimmen sie souverän selbst; seine stattliche Höhe ergibt sich, wenn man künstlerischen Eigensinn, verschrobenen Charme, gedankliche Tiefe und spielerische Leichtigkeit addiert. Man muss sich nur einmal anhören, wie Ebba Durstewitz mit ihrem Gesang die Stücke gestaltet. Verhalten, leise und zärtlich, gern ein bisschen märchenhaft-versponnen, akzentuiert sie ihre Sätze so, dass sie aufmerksamkeitsabsorbierende kleine Inseln bilden – inmitten einer anmutig sommerlichen, behände dahinfließenden musikalischen Umgebung aus Cello, Klavier, Mandolinen, Posaunen, halbakustischen Gitarren im Geiste Burt Bacharachs, Beach Boys, Van Dyke Parks und Stereolabs.
Dass man Ebba Durstewitz so hartnäckig an den Lippen hängt, liegt nicht zuletzt an den Texten. Die sind wunderlicher noch als der Gesang, was toll ist, auch wenn mancher Reim etwas eilfertig zusammengedengelt wirkt und mancher Einfall – »Die Zukunft gehört dem Pferd« – über niedlich-albernen Quatsch nicht hinausgelangt. Hübsch »anzuschauen« ist die melancholische Verlorenheitsfantasie »Polar«. Obgleich die Protagonistin des Stücks sich aus Versehen in die alte Welt der Tiefsee navigiert hat, passt der besungene Ozean doch gut zum Thema der Platte: einem bedeutungsoffen gehaltenen Dreiklang aus Zufluchtsgedanken, Ortlosigkeit und Nichtverortbarkeit, der seinen Höhepunkt in dem fantastischen Titelstück findet: »Emanzipation im Wald« ist ein fröhlich-garstiger Abgesang auf die städtische Zivilisation und ihre im fragmentierten Selbst gezüchteten Ängste in Form eines überhaupt gar nicht charmanten Verwandlungsprozesses, den die bald schon zahnlose hexenwesenhafte Erzählerin durch das randständige Leben im Wald erfährt. »Ich schlage um mich, kratz und beiß, heut weiß ich nicht mehr, wie ich heiß / Bin ohne Skrupel aggressiv und denke gerne negativ / Jetzt kann ich endlich grässlich sein – und ganz und gar für mich allein.«