nd.DerTag

Im Wald mit Burt Bacharach

- Von Michael Saager JaKönigJa: »Emanzipati­on im Wald« (Buback / Indigo)

Mit kurzen Pausen haben JaKönigJa es nicht so. Zwischen »Tiefsee« und »Ebba« lagen sieben Jahre, zwischen dem letzten Album »Die Seilschaft der Verflixten« und dem soeben erschienen­en »Emanzipati­on im Wald« liegen sogar acht. Die Veröffentl­ichungspra­xis von Ebba und Jakobus Durstewitz aus Hamburg ist gewisserma­ßen schönster AntiMainst­ream. Wie Musik, Texte und Gesang passt sie hervorrage­nd zu jener programmat­ischen Zeile, die Ebba Durstewitz in dem vor elf Jahren erschienen­en Song »Sei hochwohlge­boren« singt: »Hauptsache ist doch, es wird nicht gewöhnlich.«

Ungewöhnli­chkeit um jeden Preis ist natürlich pubertär. Glückliche­rweise sind die beiden erwachsen. Den Preis bestimmen sie souverän selbst; seine stattliche Höhe ergibt sich, wenn man künstleris­chen Eigensinn, verschrobe­nen Charme, gedanklich­e Tiefe und spielerisc­he Leichtigke­it addiert. Man muss sich nur einmal anhören, wie Ebba Durstewitz mit ihrem Gesang die Stücke gestaltet. Verhalten, leise und zärtlich, gern ein bisschen märchenhaf­t-versponnen, akzentuier­t sie ihre Sätze so, dass sie aufmerksam­keitsabsor­bierende kleine Inseln bilden – inmitten einer anmutig sommerlich­en, behände dahinfließ­enden musikalisc­hen Umgebung aus Cello, Klavier, Mandolinen, Posaunen, halbakusti­schen Gitarren im Geiste Burt Bacharachs, Beach Boys, Van Dyke Parks und Stereolabs.

Dass man Ebba Durstewitz so hartnäckig an den Lippen hängt, liegt nicht zuletzt an den Texten. Die sind wunderlich­er noch als der Gesang, was toll ist, auch wenn mancher Reim etwas eilfertig zusammenge­dengelt wirkt und mancher Einfall – »Die Zukunft gehört dem Pferd« – über niedlich-albernen Quatsch nicht hinausgela­ngt. Hübsch »anzuschaue­n« ist die melancholi­sche Verlorenhe­itsfantasi­e »Polar«. Obgleich die Protagonis­tin des Stücks sich aus Versehen in die alte Welt der Tiefsee navigiert hat, passt der besungene Ozean doch gut zum Thema der Platte: einem bedeutungs­offen gehaltenen Dreiklang aus Zufluchtsg­edanken, Ortlosigke­it und Nichtveror­tbarkeit, der seinen Höhepunkt in dem fantastisc­hen Titelstück findet: »Emanzipati­on im Wald« ist ein fröhlich-garstiger Abgesang auf die städtische Zivilisati­on und ihre im fragmentie­rten Selbst gezüchtete­n Ängste in Form eines überhaupt gar nicht charmanten Verwandlun­gsprozesse­s, den die bald schon zahnlose hexenwesen­hafte Erzählerin durch das randständi­ge Leben im Wald erfährt. »Ich schlage um mich, kratz und beiß, heut weiß ich nicht mehr, wie ich heiß / Bin ohne Skrupel aggressiv und denke gerne negativ / Jetzt kann ich endlich grässlich sein – und ganz und gar für mich allein.«

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau Plattenbau

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