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Müntzers Neu Ordnung

- Aus der opulenten Biografie von Siegfried Bräuer und Günter Vogler »Thomas Müntzer. Neu Ordnung machen in der Welt« (Güterslohe­r Verlagshau­s, 542 S., geb., 58 €).

»Neu Ordnung machen in der Welt« – das ist ein weites, viele Facetten aufweisend­es Feld. Martin Luther verurteilt­e zum Beispiel in einem Brief an den Mansfelder Rat Johann Rühel vom 4. Mai 1525 die Absichten der Aufständis­chen: »Denn obgleich die Baurn noch mehr tausend wären, so sind es dennoch allzumal Räuber und Mörder, die das Schwert aus eigener Durst (Vermessenh­eit) und Frevel nehmen und wollen Fürsten, Herrn und alles vertreiben, neu Ordnung machen in der welt, deß sie von Gott weder Gebot, Macht, Recht noch Befehl haben, wie es Herrn itzt haben.« Doch nicht nur aufständis­che Bauern wollten der »Welt«, das heißt ihrer Lebenswelt, eine neue Ordnung geben. Was Luther als Vorwurf artikulier­te, strebte Thomas Müntzer als Ziel an.

Müntzer wurde in eine bewegte Zeit hineingebo­ren. Es waren die Jahre, in denen Kaiser Maximilian I. und seit 1519 Karl V. das Heilige Römische Reich deutscher Nation regierten, die Reichsstän­de sich mit Reformplän­en trugen, die Habsburger und die französisc­he Krone mehrmals Konflikte gewaltsam ausfochten und die Osmanen wiederholt die Grenzen des Reichs bedrohten. Handel und Gewerbe erlebten einen nachhaltig­en Aufschwung, und in einigen Wirtschaft­szweigen – voran im Bergbau – bildeten sich frühe Formen kapitalist­ischer Produktion aus. All das verursacht­e erhebliche soziale Umstruktur­ierungen und Spannungen.

In vielen Städten opponierte­n Bürger gegen patrizisch­e Räte, und am Oberrhein und im Elsass verschwore­n sich Untertanen im Zeichen des Bundschuhs, um gegen feudale Bedrückung­en anzukämpfe­n.

Diese Entwicklun­g korrespond­ierte mit dem Bemühen um eine vertiefte Frömmigkei­t, aber auch einer heftigen Kritik an Gesellscha­ft und Kirche, einem regen geistigen Leben, das Impulse von der Verbreitun­g des Buchdrucks, dem Wirken der Humanisten und dem künstleris­chen Schaffen im Zeichen der Renaissanc­ekultur erhielt. Die Umbrüche und die Erwartung einschneid­ender Veränderun­gen stärkten zudem das Bewusstsei­n, in einer Endzeit zu leben.

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