Müntzers Neu Ordnung
»Neu Ordnung machen in der Welt« – das ist ein weites, viele Facetten aufweisendes Feld. Martin Luther verurteilte zum Beispiel in einem Brief an den Mansfelder Rat Johann Rühel vom 4. Mai 1525 die Absichten der Aufständischen: »Denn obgleich die Baurn noch mehr tausend wären, so sind es dennoch allzumal Räuber und Mörder, die das Schwert aus eigener Durst (Vermessenheit) und Frevel nehmen und wollen Fürsten, Herrn und alles vertreiben, neu Ordnung machen in der welt, deß sie von Gott weder Gebot, Macht, Recht noch Befehl haben, wie es Herrn itzt haben.« Doch nicht nur aufständische Bauern wollten der »Welt«, das heißt ihrer Lebenswelt, eine neue Ordnung geben. Was Luther als Vorwurf artikulierte, strebte Thomas Müntzer als Ziel an.
Müntzer wurde in eine bewegte Zeit hineingeboren. Es waren die Jahre, in denen Kaiser Maximilian I. und seit 1519 Karl V. das Heilige Römische Reich deutscher Nation regierten, die Reichsstände sich mit Reformplänen trugen, die Habsburger und die französische Krone mehrmals Konflikte gewaltsam ausfochten und die Osmanen wiederholt die Grenzen des Reichs bedrohten. Handel und Gewerbe erlebten einen nachhaltigen Aufschwung, und in einigen Wirtschaftszweigen – voran im Bergbau – bildeten sich frühe Formen kapitalistischer Produktion aus. All das verursachte erhebliche soziale Umstrukturierungen und Spannungen.
In vielen Städten opponierten Bürger gegen patrizische Räte, und am Oberrhein und im Elsass verschworen sich Untertanen im Zeichen des Bundschuhs, um gegen feudale Bedrückungen anzukämpfen.
Diese Entwicklung korrespondierte mit dem Bemühen um eine vertiefte Frömmigkeit, aber auch einer heftigen Kritik an Gesellschaft und Kirche, einem regen geistigen Leben, das Impulse von der Verbreitung des Buchdrucks, dem Wirken der Humanisten und dem künstlerischen Schaffen im Zeichen der Renaissancekultur erhielt. Die Umbrüche und die Erwartung einschneidender Veränderungen stärkten zudem das Bewusstsein, in einer Endzeit zu leben.