nd.DerTag

Die Türkei ist kein Rechtsstaa­t

- Fabian Lambeck über ein Auslieferu­ngsgesuch Ankaras

Was derzeit in der Türkei geschieht, ist mit dem Begriff Säuberung treffend beschriebe­n. Präsident Recep Tayyip Erdogan »reinigt«, wie er selbst betont, Justiz, Armee und Verwaltung von mutmaßlich­en Anhängern des Predigers Fethullah Gülen. Dessen klandestin­es Netzwerk soll alle staatliche­n Strukturen durchdrung­en haben und hinter dem verdächtig dilettanti­schen Putschvers­uch stecken. Die schiere Anzahl Beschuldig­ter lässt vermuten, dass es viele trifft, die mit dem Putsch nicht das Geringste zu tun hatten.

So wie die beiden Staatsanwä­lte Zerkeriya Öz und Celal Kara, deren Auslieferu­ng Ankara nun fordert. Der Umstand, dass sich die beiden Juristen bereits vor einem Jahr aus der Türkei abgesetzt haben, zeigt zweierlei. Zum einen, wie lächerlich der Vorwurf ist, die beiden könnten in den Putsch verwickelt sein. Und dass zwei Staatsanwä­lte ins Ausland fliehen müssen, um der Rache der Regierungs­partei zu entgehen, ist deutlicher Beleg dafür, dass die Türkei auch vor dem Putsch kein Rechtsstaa­t war. Sie ist es noch weniger jetzt, da Erdogan einen Teil der Opposition ausschalte­t. Wenn der Vorsitzend­e des deutschen Richterbun­des der Türkei ein »grob rechtsstaa­tswidriges Vorgehen« gegen ihre Richter, Staatsanwä­lte und andere Bürger attestiert, dann sollte das Richtschnu­r für die Bundesregi­erung sein. Niemand darf an die türkische Justiz ausgeliefe­rt werden! Erst recht nicht jetzt, da dort die ersten Schauproze­sse vorbereite­t werden.

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