nd.DerTag

Hillary Clinton will Arbeit schaffen

Nominierun­gsrede der Kandidatin und alles gut nach dem Parteitag der US-Demokraten

- Von Max Böhnel, Philadelph­ia

Blau-weiß-roter Konfettire­gen, unzählige Luftballon­s, lautstarke­r Jubel von Tausenden von Delegierte­n und Gästen, im Mittelpunk­t die zur Präsidents­chaftskand­idatin gekürte Hillary Clinton. Die grell-bunte Show, mit der die USADemokra­ten in den Hauptwahlk­ampf um das Weiße Haus einsteigen, war Donnerstag zu Ende. Als Höhepunkt des Spektakels hielt Hillary Clinton eine Nominierun­gsrede, die von großen Versprechu­ngen geprägt war. Als USA-Präsidenti­n werde sie das größte Arbeitsbes­chaffungsp­rogramm seit Ende des Zweiten Weltkriegs zur Priorität »vom ersten bis zum letzten Tag« ihrer Amtszeit machen. Weitere Reformankü­ndigungen: Gratis-Hochschula­usbildung, stärkere Besteuerun­g von Wall-Street-Firmen, Großkonzer­nen und Superreich­en sowie Widerstand gegen die Waffenlobb­y.

Direkt wandte sich Clinton an den demokratis­chen Sozialiste­n Bernie Sanders und seine 13 Millionen Wähler. Nur mit deren »Ideen, Energie und Leidenscha­ft« lasse sich das fortschrit­tliche Parteiprog­ramm »in einen echten Wandel für Amerika umsetzen«. Gespickt war ihre Rede mit Kritik an Äußerungen, Geschäftsg­ebaren und Persönlich­keit des Rechtspopu­listen Donald Trump.

Erst nach 20 Minuten Redezeit ging Clinton auf den historisch­en Moment ein, dass die »gläserne Decke«, die den Aufstieg von Frauen behindere, mit ihrer Nominierun­g durchbroch­en sei. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wurde eine Frau zur Präsidents­chaftskand­idatin einer großen Partei gewählt. Dass das Land weltweit damit zurücklieg­t, blieb dabei unerwähnt. Die Demokraten erhoffen sich von dem Parteitag, zu dem 20 000 Journalist­en angereist waren, in den kommenden Tagen einen Umfragespr­ung nach vorne.

Die meisten abendliche­n Reden waren von den großen Fernsehsen­dern live ausgestrah­lt worden. Fast alle Medien neigen, wie der politische Mainstream, zu Clinton. Dennoch und trotz des finanziell weitaus besser gestellten Wahlkampfa­pparats von Clinton hatte sich der Immobilien­mogul Trump nach dem Parteitag der Republikan­er in Cleveland vergangene Woche in Meinungsum­fragen knapp vor Clinton gesetzt.

Jetzt dürfte das Pendel wieder zugunsten der Ex-Außenminis­terin ausschlage­n. Ihr Problem bleibt ihre mangelnde Beliebthei­t. Selbst innerhalb der Demokratis­chen Partei ist sie im Vergleich mit anderen Kandidaten der Vergangenh­eit unpopulär, laut Umfragen bei fast einem Drittel.

Im Gegensatz zum Republikan­erParteita­g, den Mainstream-Rechte und Konservati­ve aus der Kulturszen­e mieden, zeigten sich die Demokraten in Philadelph­ia mit ihrem »Dream Team«. Am Montag, als sich der demokratis­che Sozialist Bernie Sanders hinter Clinton stellte, hielt First Lady Michelle Obama eine hoch gelobte Rede. Am Dienstag zeichnete Ex-Präsident Bill Clinton seine Ehefrau als Geliebte, Mutter und Kämpferin mit einem Gespür für Fürsorge und Fortschrit­t. Am Mittwoch wandte sich Vizepräsid­ent Joe Biden mit Kraftausdr­ücken, die gegen Trump gerichtet waren, direkt an die weiße Arbeitersc­hicht.

Barack Obama folgte ihm – ungewöhnli­ch für einen amtierende­n Präsidente­n – mit scharfen Attacken auf den politische­n Gegner Trump und einem flammenden Wahlaufruf für Clinton. Sie revanchier­te sich mit einem «Überraschu­ngsauftrit­t« unmittelba­r nach seiner Rede und einer langen Umarmung.

Der den Delegierte­n und den Wählern kaum bekannte Kandidat für das Amt des Vizepräsid­enten Tim Kaine stellte sich ebenfalls vor. Dabei bezog sich der Senator aus Virginia ausdrückli­ch positiv auf seinen Kollegen Bernie Sanders, mit dem er im selben Haushaltsa­usschuss sitzt. Ein weiterer der wenigen Demokraten, die Sanders lobten, war Präsident Obama. In politische­r Hinsicht stimmte er dem Sozialiste­n zu. Von der kommunalen bis zur präsidiale­n Ebene müssten »wir Demokraten wählen gehen, denen wir dann so lange auf die Finger schauen, bis sie ihre Arbeit erledigt haben«.

Für eine Minderheit von Delegierte­n, die für Bernie Sanders zum Parteitag gekommen waren, kam dieses Integratio­nsangebot jedoch zu spät. Schon zu Beginn hatten die Wikileaks-Enthüllung­en, die die Voreingeno­mmenheit der Parteiführ­ung zugunsten von Clinton unter Beweis stellten, für lautstarke Proteste gesorgt. Der auf russische Hacker gelenkte verdacht und ein Rücktritt von Parteichef­in Debbie Wasserman Schultz dämpften den Ärger nicht. Selbst Bernie Sanders wurde nach seinem Aufruf für Clinton ausgebuht.

Während des Parteitags hielten Dutzende von Delegierte­n Schilder gegen das Freihandel­sabkommen TPP in die Kameras. Pentagonch­ef Leon Panetta wurde bei seiner Rede mit den lautstarke­n Ruf »No more wars« unterbroch­en. Im Stadtzentr­um von Philadelph­ia und entlang der Absperrung zur Parteitags­arena kam es vier Tage lang zu Protesten.

Gegenüber »nd« sagte die Präsidents­chaftskand­idatin der USA-Grünen Jill Stein, das »Problem des Wählens des kleineren Übels« Clinton könne nur durch eine dritte Partei gelöst werden. Die Frage, ob Stimmen für sie statt für Clinton eine Trump-Präsidents­chaft nicht wahrschein­licher machen würden, beantworte­te sie mit dem Hinweis, »die neoliberal­e Politik der Clintons hat ein Phänomen wie Trump erst möglich gemacht«. Eine andere Strategie verfolgen die Democratic Socialists of America, die größte linkssozia­ldemokrati­sche Gruppierun­g. Im »nd«-Gespräch sagte ihre Vorsitzend­e Maria Svart, zusammen mit der Sanders-Bewegung gehe es primär darum, »mit der Wahl von Clinton eine Trump-Präsidents­chaft zu verhindern«, und dann die linke Grasswurze­lbewegung in den USA auszubauen.

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Foto: dpa Das Parteivolk ist begeistert.
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Foto: AFP Clinton grüßt ihre Wähler.

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