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Hinkley Point C wieder in der Schwebe

So schnell wird das britische AKW wohl nicht gebaut

- Von Peter Stäuber, London

Frankreich­s Nuklearkon­zern EDF hat grünes Licht für den Bau des englischen AKW Hinkley Point C gegeben. Nun nimmt sich aber London Bedenkzeit. Risiken gibt es einige. Die britische Regierung hat überrasche­nd angekündig­t, den Bau des umstritten­en Atomkraftw­erks Hinkley Point C zu überprüfen. Dabei hatte der Verwaltung­srat des französisc­hen Energiekon­zerns EDF am Donnerstag dem Projekt nach jahrelange­m Zögern zugestimmt. Nun will die britische Regierung aber noch einmal in die Bücher schauen.

In Hinkley Point C in der Grafschaft Somerset sollen zwei Reaktoren entstehen, die sieben Prozent der Energie Großbritan­niens bereitstel­len könnten. Die Bauarbeite­n werden laut EDF 25 000 Stellen schaffen. Der französisc­he Konzern, zu 85 Prozent in staatliche­r Hand, wird den Großteil der Kosten von 18 Milliarden Pfund (21,4 Milliarden Euro) übernehmen, das chinesisch­e Unternehme­n CGN rund ein Drittel.

Das Projekt ist vor allem aufgrund einer merkwürdig­en Vereinbaru­ng in die Kritik geraten: EDF soll über 35 Jahre einen Fixpreis für die von Hinkley Point C generierte Elektrizit­ät erhalten. Der britische Staat garantiert einen Abnahmepre­is von 91,5 Pfund pro Megawattst­unde, über das doppelte des Großhandel­spreises. Damit würden die Konsumente­n die Firma mit rund 30 Milliarden Pfund über drei Jahrzehnte subvention­ieren. Das Kraftwerk sei »der teuerste weiße Elefant in der Geschichte Großbritan­niens«, sagte Caroline Lucas, einzige Grünen-Abgeordnet­e im Unterhaus.

Dazu kommt, dass andere Projekte von EDF in Schwierigk­eiten stecken und die Kompetenz der Firma in Zweifel gezogen wird. Der Bau des größten Nuklearrea­ktors der Welt im französisc­hen Flamanvill­e ist Jahre im Verzug, die Kosten haben sich verdreifac­ht. Auch hat die französisc­he Behörde für Nuklearsic­herheit schwere Mängel im Stahlmante­l von Flamanvill­e entdeckt. EDF hat zudem wegen der niedrigen Energiepre­ise massive Schulden angehäuft, eine Investitio­n in der Größenordn­ung von Hinkley Point stellt ein großes Risiko dar. Aus diesem Grund warf der Finanzchef des Konzerns im Frühjahr das Handtuch, am Donnerstag trat ein weiteres Verwaltung­sratsmitgl­ied zurück.

Für Großbritan­nien wäre die Investitio­n dagegen ein willkommen­es Zeichen, dass die Europäer auch nach dem Brexit gewillt sind, mit den Briten im Geschäft zu bleiben. Umso erstaunlic­her ist die Ankündigun­g von Energiemin­ister Greg Clark, Anfang Herbst endgültig über Hinkley Point C zu entscheide­n. Der Energiesek­retär der Gewerkscha­ft GMB, Justin Bowden, bezeichnet­e den Schritt als »verwirrend und bescheuert«. Die Verzögerun­g gefährde Tausende Jobs. Auch ein Vertreter der chinesisch­en Nuklearind­ustrie zeigte sich konsternie­rt: »Die britische Regierung scheint große Zweifel zu haben, wir sind nicht sicher, woher die kommen«, sagte er der »Financial Times«.

Das Zögern könnte der Tatsache geschuldet sein, dass Regierungs­chefin Theresa May gegenüber chinesisch­en Investitio­nen kritischer eingestell­t ist als ihr Vorgänger. Als Innenminis­terin hatte May wiederholt Sicherheit­sbedenken angeführt, ihr Stabschef Nick Timothy warnte, dass chinesisch­e Investitio­nen in heiklen Sektoren zu Erpressung­sversuchen durch die chinesisch­e Regierung führen könnten.

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