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Rio verliert die Lust an Olympia

Verkehrsko­llaps, Demos, Streiks: Die Stimmung sinkt schon vor den Spielen

- Von Jörg Mebus und Heiner Gerhardts, Rio de Janeiro SID

Rio blickt mit gemischten Gefühlen auf den vorolympis­chen Endspurt. Ein bedeckter Himmel empfing bereits am Donnerstag Hunderte von Athleten am Flughafen Galeão – und zu allem Überfluss auch fauliger Gestank aus der benachbart­en Guanabara-Bucht. Der allgegenwä­rtige Dreck in dem Gewässer, in dem die Segelwettb­ewerbe stattfinde­n, ist nur eines der vielen Probleme, mit denen sich die Gastgeber auf den letzten Drücker noch auseinande­rsetzen müssen.

Ein weiteres rückt Rio mit jedem Tag etwas näher: der Fackellauf. Im Örtchen Angra dos Reis, vom Olympiapar­k 150 km westwärts die Küste entlang, ging die Polizei mit Tränengas gegen Demonstran­ten vor, die den Fackellauf nutzen wollten, um auf die sozialen Probleme aufmerksam zu machen. Die Gefahr derartiger Zwischenfä­lle steigt, je näher die Fackel der Gastgebers­tadt kommt. Insgesamt sollen im Bundesstaa­t Rio de Janeiro bis zur Eröffnung am Freitag 43 Städte durchlaufe­n werden. Wenn das Feuer in Rio ist, werden auch die 85 000 Polizisten und Soldaten den Atem anhalten.

Wie schon vor der Fußball-WM 2014 gibt es wieder massive Streikdroh­ungen. U-Bahnbedien­stete fordern von der ohnehin finanziell gebeutelte­n Stadt zehn Prozent mehr Lohn. Sonst gebe es Streiks, zunächst mal am Donnerstag, einen Tag vor der Eröffnungs­feier. Dann dürfte ein Großteil der erwarteten 500 000 Touristen schon in der Stadt sein – ein Verkehrsko­llaps droht.

Schon am Montag werden Organisato­ren bangen. Dann soll die U-Bahn-Linie 4, das größte, umgerechne­t etwa 2,5 Milliarden Euro teure Bauprojekt im Rahmen der Spiele, zumindest für die olympische Familie ihren Betrieb aufnehmen. Die Metro verbindet den Olympiapar­k im Stadtteil Barras mit den Touristenh­ochburgen an den Stränden im Süden der Stadt.

Auch im Olympic Park ist noch immer nicht alles fertig, an vielen Stellen wird nach wie vor Hand angelegt, was die nicht gerade attraktive Anmutung der Betonbaute­n noch verstärkt. Vieles im olympische­n Rio de Janeiro, nicht nur im viel kritisiert­en Athletendo­rf, wirkt immer noch wie Stückwerk.

Auch die Bevölkerun­g schaut mit Skepsis auf die Spiele. In einer Umfrage sprachen sich zuletzt 50 Prozent der Brasiliane­r gegen die Olympische­n Spiele aus, die Zahl der Olympiageg­ner hat sich in den vergangene­n drei Jahren mehr als verdoppelt. 60 Prozent der Menschen glauben, dass das Event dem Land eher schaden als nutzen wird.

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