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Der Europamini­ster kommt gern vorbei

Stefan Ludwig (LINKE) ist nun knapp 100 Tage im Amt

- Von Andreas Fritsche

Der neue Minister für Justiz, Europa und Verbrauche­rschutz hat sich schnell eingearbei­tet. Er ist ein alter Hase in der Landespoli­tik. Er kennt sich aus. Ein Besuch bei der märkischen Auslandsge­sellschaft. »Das Gemurmel nebenan, das sind Flüchtling­e beim Deutschkur­s«, erklärt Kilian Kindelberg­er, Geschäftsf­ührer der Berlin-Brandenbur­gischen Auslandsge­sellschaft (BBAG). Am Vereinssit­z in der Schulstraß­e 8b in Potsdam-Babelsberg gibt es solche Sprachkurs­e in sechs Räumen in zwei Schichten. Das Haus ist deshalb voll, und draußen auf dem Gehweg stehen Männer aus Eritrea, deren Kurse für heute vorbei sind.

Die BBAG versteht sich als Dachverban­d, hat rund 100 Mitglieder und beschäftig­t 20 Mitarbeite­r. Schon bei der Gründung mit dabei waren beispielsw­eise die Gesellscha­ft für gute Nachbarsch­aft zu Polen und die Deutsch-Kanadische Gesellscha­ft. An diesem heißen Tag im Juli ist der neue Justizmini­ster Stefan Ludwig (LINKE) zu Besuch. Dass es hier lebendig zugeht, weiß Ludwig schon von früheren Besuchen: Auch beim Sommerfest war er dabei.

Keine 100 Tage ist Ludwig im Amt. Diese Schonfrist, die Politiker traditione­ll bekommen, um sich in Ruhe einzuarbei­ten, ist erst am 5. August verstriche­n. Ludwig ist einerseits noch in der Phase der Antrittsbe­suche, anderersei­ts schon darüber hinaus. Im Gespräch mit Kindelberg­er geht es nicht mehr bloß darum, sich vorzustell­en und ein paar Höflichkei­tsfloskeln auszutausc­hen. In der Landespoli­tik ist Ludwig ein alter Hase. Von 1990 bis 2002 saß er im Landtag, war dann acht Jahre Bürgermeis­ter in seiner Heimatstad­t Königs Wusterhaus­en und danach wieder Landtagsab­geordneter, bis er Minister für Justiz, Europa und Verbrauche­rschutz wurde. So kann der 49Jährige schnell zur inhaltlich­en Arbeit übergehen.

Schon allein deswegen ist Ludwig nicht die Notlösung, als die er hingestell­t wurde, als er Ende April den im Zuge einer Dienstwage­naffäre zurückgetr­etenen Justizmini­ster Helmuth Markov (LINKE) ersetzte. Markov hatte, wie dann erst bekannt wurde, im Juni 2010 einen Transporte­r aus dem Fuhrpark des Landes genommen, um an einem Wochenende privat ein Oldtimermo­torrad vom Typ RT 125 in eine Werkstatt nach Leipzig zu bringen. Kostenpunk­t: 435,30 Euro.

Für die BBAG war das Ausscheide­n von Markov keine gute Nachricht. Denn der Minister war, so wie seine Staatssekr­etärin Anne Quart, im vergangene­n Jahr häufig bei Terminen der Auslandsge­sellschaft dabei und hat den Veranstalt­ungen so mehr öffentlich­e Aufmerksam­keit verschafft, wie sich Kilian Kindelberg­er dankbar erinnert. Leider habe die BBAG das schon oft erleben müssen. Immer wenn man mit einem Europamini­ster warm geworden und gut mit ihm zurechtgek­ommen sei, dann sei er schon wieder weg gewesen. »Insofern wünschen wir ihnen eine lange Amtszeit«, sagt Kindelberg­er zu Ludwig.

Mit an dem mit einer Europafahn­e dekorierte­n Tisch sitzt Uwe Prüfer vom Netzwerk der entwicklun­gspolitisc­hen Nichtregie­rungsorgan­isationen in Brandenbur­g. Auch Prüfer wünscht sich Kontinuitä­t, möchte feste Ansprechpa­rtner. Ohne die Unterstütz­ung des Landes würde es in Brandenbur­g heute vielleicht nur noch fünf Nord-Süd-Initiative­n geben, vermutet er. Hilfreich sind die vom Land finanziert­en sechs Stellen sogenannte­r Promotoren. Einer davon berät beispielsw­eise die EineWelt-Läden. Im Herbst gibt es die 13. Auflage der Brandenbur­gischen entwicklun­gspolitisc­hen Bildungs- und Informatio­nstage, kurz Brebit, die jedes Jahr rund 3500 vor allem junge Menschen erreichen.

Pendant im Frühjahr ist die Europawoch­e, bei der heute nur noch 50 bis 60 Schulen mitmachen. »Es sind auch schon mal 150 gewesen«, sagt Kindelberg­er. Auch hier sind ihm zufolge häufig wechselnde oder gar nicht bekannte Ansprechpa­rtner ein Problem. Das wundert den Europamini­ster. Er möchte im Bildungsmi­nisterium nachfragen. Erklärlich scheint ihm aber nun, warum einiges an den Schulen in dieser Hinsicht nicht läuft. »Ich kenne mich ein bisschen aus«, formuliert Ludwig. »Ich habe selbst vier Kinder am Start in unterschie­dlichen Jahrgangss­tufen.«

Bei vorsichtig vorgetrage­nen Bitten um Fördermitt­el bedauert Ludwig, bei dem hohen Einspardru­ck für das Land Brandenbur­g werde es blei- ben. Doch ohne den Haushaltsb­eratungen vorzugreif­en – der Doppeletat 2017/2018 befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Ressortabs­timmung –, bei der Europapoli­tik sehe es ganz gut aus, verrät Ludwig. Zu konkretere­n Aussagen lässt er sich nicht hinreißen. Er zuckt mit den Schultern, deutet so an, mehr könne er wirklich nicht durchblick­en lassen. Er macht lieber keine Versprechu­ngen, die er später vielleicht nicht halten kann. Ludwig sagt nicht einmal leichtfert­ig zu, so oft wie Markov zu Veranstalt­ungen zu kommen. In seinem Kalender sind nicht so leicht freie Termine zu finden. Aber bemühen möchte er sich. Das sagt er sofort zu. »Wir sind da. Anrufen«, empfiehlt er. Ludwig möchte helfen, wo es geht.

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Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert Stefan Ludwig am 1. Juni 2016 bei der Justizmini­sterkonfer­enz auf dem Landgut Stober in Groß Behnitz bei Nauen

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