Der Europaminister kommt gern vorbei
Stefan Ludwig (LINKE) ist nun knapp 100 Tage im Amt
Der neue Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz hat sich schnell eingearbeitet. Er ist ein alter Hase in der Landespolitik. Er kennt sich aus. Ein Besuch bei der märkischen Auslandsgesellschaft. »Das Gemurmel nebenan, das sind Flüchtlinge beim Deutschkurs«, erklärt Kilian Kindelberger, Geschäftsführer der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft (BBAG). Am Vereinssitz in der Schulstraße 8b in Potsdam-Babelsberg gibt es solche Sprachkurse in sechs Räumen in zwei Schichten. Das Haus ist deshalb voll, und draußen auf dem Gehweg stehen Männer aus Eritrea, deren Kurse für heute vorbei sind.
Die BBAG versteht sich als Dachverband, hat rund 100 Mitglieder und beschäftigt 20 Mitarbeiter. Schon bei der Gründung mit dabei waren beispielsweise die Gesellschaft für gute Nachbarschaft zu Polen und die Deutsch-Kanadische Gesellschaft. An diesem heißen Tag im Juli ist der neue Justizminister Stefan Ludwig (LINKE) zu Besuch. Dass es hier lebendig zugeht, weiß Ludwig schon von früheren Besuchen: Auch beim Sommerfest war er dabei.
Keine 100 Tage ist Ludwig im Amt. Diese Schonfrist, die Politiker traditionell bekommen, um sich in Ruhe einzuarbeiten, ist erst am 5. August verstrichen. Ludwig ist einerseits noch in der Phase der Antrittsbesuche, andererseits schon darüber hinaus. Im Gespräch mit Kindelberger geht es nicht mehr bloß darum, sich vorzustellen und ein paar Höflichkeitsfloskeln auszutauschen. In der Landespolitik ist Ludwig ein alter Hase. Von 1990 bis 2002 saß er im Landtag, war dann acht Jahre Bürgermeister in seiner Heimatstadt Königs Wusterhausen und danach wieder Landtagsabgeordneter, bis er Minister für Justiz, Europa und Verbraucherschutz wurde. So kann der 49Jährige schnell zur inhaltlichen Arbeit übergehen.
Schon allein deswegen ist Ludwig nicht die Notlösung, als die er hingestellt wurde, als er Ende April den im Zuge einer Dienstwagenaffäre zurückgetretenen Justizminister Helmuth Markov (LINKE) ersetzte. Markov hatte, wie dann erst bekannt wurde, im Juni 2010 einen Transporter aus dem Fuhrpark des Landes genommen, um an einem Wochenende privat ein Oldtimermotorrad vom Typ RT 125 in eine Werkstatt nach Leipzig zu bringen. Kostenpunkt: 435,30 Euro.
Für die BBAG war das Ausscheiden von Markov keine gute Nachricht. Denn der Minister war, so wie seine Staatssekretärin Anne Quart, im vergangenen Jahr häufig bei Terminen der Auslandsgesellschaft dabei und hat den Veranstaltungen so mehr öffentliche Aufmerksamkeit verschafft, wie sich Kilian Kindelberger dankbar erinnert. Leider habe die BBAG das schon oft erleben müssen. Immer wenn man mit einem Europaminister warm geworden und gut mit ihm zurechtgekommen sei, dann sei er schon wieder weg gewesen. »Insofern wünschen wir ihnen eine lange Amtszeit«, sagt Kindelberger zu Ludwig.
Mit an dem mit einer Europafahne dekorierten Tisch sitzt Uwe Prüfer vom Netzwerk der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Brandenburg. Auch Prüfer wünscht sich Kontinuität, möchte feste Ansprechpartner. Ohne die Unterstützung des Landes würde es in Brandenburg heute vielleicht nur noch fünf Nord-Süd-Initiativen geben, vermutet er. Hilfreich sind die vom Land finanzierten sechs Stellen sogenannter Promotoren. Einer davon berät beispielsweise die EineWelt-Läden. Im Herbst gibt es die 13. Auflage der Brandenburgischen entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage, kurz Brebit, die jedes Jahr rund 3500 vor allem junge Menschen erreichen.
Pendant im Frühjahr ist die Europawoche, bei der heute nur noch 50 bis 60 Schulen mitmachen. »Es sind auch schon mal 150 gewesen«, sagt Kindelberger. Auch hier sind ihm zufolge häufig wechselnde oder gar nicht bekannte Ansprechpartner ein Problem. Das wundert den Europaminister. Er möchte im Bildungsministerium nachfragen. Erklärlich scheint ihm aber nun, warum einiges an den Schulen in dieser Hinsicht nicht läuft. »Ich kenne mich ein bisschen aus«, formuliert Ludwig. »Ich habe selbst vier Kinder am Start in unterschiedlichen Jahrgangsstufen.«
Bei vorsichtig vorgetragenen Bitten um Fördermittel bedauert Ludwig, bei dem hohen Einspardruck für das Land Brandenburg werde es blei- ben. Doch ohne den Haushaltsberatungen vorzugreifen – der Doppeletat 2017/2018 befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Ressortabstimmung –, bei der Europapolitik sehe es ganz gut aus, verrät Ludwig. Zu konkreteren Aussagen lässt er sich nicht hinreißen. Er zuckt mit den Schultern, deutet so an, mehr könne er wirklich nicht durchblicken lassen. Er macht lieber keine Versprechungen, die er später vielleicht nicht halten kann. Ludwig sagt nicht einmal leichtfertig zu, so oft wie Markov zu Veranstaltungen zu kommen. In seinem Kalender sind nicht so leicht freie Termine zu finden. Aber bemühen möchte er sich. Das sagt er sofort zu. »Wir sind da. Anrufen«, empfiehlt er. Ludwig möchte helfen, wo es geht.