Ein Kaufhaus gähnt am Slüterplatz
Dömitz sucht dringend Nutzer für die frühere Karstadt-Filiale – »fast ALLES ist denkbar!«
Ein großes Kaufhaus war einst der Stolz der Stadt Dömitz (Mecklenburg-Vorpommern). Doch inzwischen erlebt der geschichtsträchtige Bau die zweite Leerstandsphase. Er ist zum Sorgenkind geworden. Eigentlich könnte sich Bürgermeister Helmut Bode freuen, wenn er durch Dömitz spaziert: So manches Haus der Elbestadt ganz im Südwesten Mecklenburg-Vorpommerns, das noch um 1990 vom Zahn der Zeit gezeichnet war, ist renoviert – sowohl dank privater Initiative als auch mit Hilfe aus Schwerin. Und erst vor kurzem hatte Landeswirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) bekannt gegeben: Dömitz bekommt 126 000 Euro zum Sanieren des Rathauses. Es sind Mittel zur Städtebauförderung, je zur Hälfte gezahlt von Bund und Land. Fast 14 Millionen Euro aus diesem Topf sind seit 1991 nach Dömitz geflossen und haben dort auch den Erhalt denkmalgeschützter Gebäude ermöglicht.
Eigentlich könnte der Bürgermeister also sehr zufrieden sein angesichts dieser Entwicklung. Würde er nicht immer wieder am Sorgenkind der Stadt vorüber gehen müssen. Es ist ein dreigeschossiger dunkler Backsteinbau, über dessen Eingang ein Schriftzug prangt: Kaufhaus. Doch zu kaufen gibt es dort nichts mehr, in den Schaufenstern nichts als Tristesse. Sie sind leer, gähnen zur Johanneskirche hinüber. Niemand bleibt stehen an dem verlassenen Haus, allenfalls Touristen, die sich wundern, dass vor Jahrzehnten in einem Städtchen mit gut 3000 Einwohnern ein so großer Einkaufskomplex gebaut wurde. Kaum vorstellbar ist es, welch gute Zeiten er erlebt hat.
»Das war einmal – leider!« bedauert Bürgermeister Bode. Er verbreitete im Internet einen »Hilferuf« in der Hoffnung, irgend jemand könnte das dahindämmernde Gebäude erwecken: »Wir suchen ab sofort eine neue Nutzung in diesem Haus – fast ALLES ist denkbar!«
Die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes ist mit der Geschichte der Familie Karstadt verbunden. Zu ihrer Filialkette hatte Rudolph Karstadt 1881 in Wismar den Grundstein gelegt: mit seinem ersten Kaufhaus. Im Norden wagte sich dann Ernst Karstadt, Bruder des Gründers, mit mehreren Geschäften auf den Markt, unter anderem in Dömitz in der Fritz-Reuter-Straße.
Doch Ernst hatte wenig Fortune, geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten, aus denen ihm Rudolph um 1900 heraus half. Er übernahm die Betriebe des Bruders, auch in Dömitz, ließ dort 1924 das große Haus bauen, gegenüber der Kirche am Slüterplatz. Das Kaufhaus mit seinem umfangreichen Warenangebot erfreute sich regen Zuspruchs. Kunden kamen auch aus der weiteren Umgegend, sogar vom anderen Ufer der Elbe, aus Lüchow-Dannenberg. Der Käuferzustrom von dort nahm zu, nachdem 1936 die Dömitzer Straßenbrücke gebaut worden war. Zuvor führte nur die Eisenbahnbrücke über den Fluss. Neben den Schienen gestattete ein Weg aus Holzbohlen auch Fußgängern und Radlern das Pendeln zwischen hüben und drüben.
Damit war es vorbei, nachdem am 20. April 1945 amerikanische Bomber beide Brücken zerstört hatten. Nach Ende des Krieges, in dem das Kaufhaus vorübergehend auch als Lazarett genutzt worden war, wurden die Räume »für verschiedene Verkaufs- und Produktionseinrichtungen« verwendet, berichtet Jürgen Scharnweber, Leiter des Dömitzer Museums, in einer Schrift zum 775jährigen Bestehen der Stadt. Unter anderem bastelte ein findiger Rund- funkfachmann im Kaufhaus einfache Radios zusammen.
Der reguläre Betrieb begann erst wieder 1947. Karstadt war im Osten mittlerweile enteignet worden, die Konsumgenossenschaft zog ins große Haus, erweiterte ständig das Sortiment. Vom Hosenknopf bis zur Wohnungseinrichtung war dort vieles zu haben.
Nach dem Ende der DDR kam auch das Aus für die beliebte Einkaufsstätte. Die Schriftzüge »Konsum« verschwanden von der Fassade, Karstadt wollte das Haus nicht zurück haben, weil eine Marktanalyse ergeben hatte: keine Rentabilität!
Noch bis 1993 lief der Verkauf, dann wurden Regale und Schaufenster geleert – ein trostloser Anblick. Ihn beendete 2009 ein in Dömitz engagierter Unternehmer, der das Kaufhaus renovieren ließ und wieder eröffnete. Viele regionale Produkte und auch Bücher, Möbel und Textilien waren dort zu haben, ein gastronomischer Bereich ergänzte das Angebot. »Das Haus belebt unsere Altstadt beachtlich«, hieß es seinerzeit von der Stadt. Doch die Freude währte verhältnismäßig kurz. Anfang 2014 schloss das Haus wieder, ein »Dauerstreit mit dem Finanzamt«, so war zu lesen, hatte den Investor dazu bewogen.
Seither wird es zur Miete angeboten: für 3600 Euro netto monatlich. »Es ist das am besten erhaltene Kaufhaus im typischen Karstadt-Baustil der 20er Jahre«, wirbt eine Immobilienfirma für das Objekt. Doch noch scheint kein Interessent in Sicht zu sein, ruht das Gebäude als ein Stück Stadtgeschichte und ist nach wie vor Bürgermeisters Sorgenkind.