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Ungeliebte­s Stiefkind Mittlerwei­le sind fast ein Drittel aller Studierend­en an Fachhochsc­hulen eingeschri­eben.

Mit der Bologna-Reform sollten die Fachhochsc­hulen aufgewerte­t werden. Nach eineinhalb Jahrzehnte­n zeigt sich, dass Bund und Länder dafür zu wenig getan haben.

- Von Tino Brömme

Man kann PräsidentI­nnen und RektorInne­n von Fachhochsc­hulen (FH) landauf, landab fragen – sie sind einhellig enttäuscht, mindestens irritiert von der Politik. »Ich halte z. B. das Programm ›Innovative Hochschule‹, das für Fachhochsc­hulen und kleine Universitä­ten aufgelegt wurde, für symptomati­sch: Es stellt hohe Anforderun­gen und bietet geringe Mittel«, ärgert sich Hans Gerber, der als erster Vizepräsid­ent der Beuth-Hochschule für Technik in Berlin an den Hochschulv­ertragsver­handlungen in der Hauptstadt beteiligt ist. Gerber kritisiert, dass die Fachhochsc­hulen »entgegen den politische­n Verlautbar­ungen seit 20 Jahren, zumindest in einigen Bundesländ­ern, tendenziel­l nicht den Aufgaben entspreche­nd finanziert« werden. Nur wenige Länder wie beispielsw­eise Niedersach­sen legten inzwischen Entwicklun­gsprogramm­e für ihre Fachhochsc­hulen auf, um der chronische­n Unterausst­attung zu begegnen. »Wir haben in Berlin zwar Planungssi­cherheit bis 2017, aber nicht die Summen, um auch unsere Personal- und Forschungs­kapazitäte­n so auszubauen, wie wir es können, wollen und müssten und vor allem: wie es von uns erwartet wird.«

Die FH sind längst nicht mehr dieselben wie zur Zeit ihrer Erfindung in den 1970er Jahren. Sie bilden nicht mehr nur berufsnah in technische­n Berufen aus, sondern nehmen auch eine entscheide­nde Rolle als Innovation­smotoren in den Regionen ein. Bald ein Drittel aller Studierend­en in Deutschlan­d sind mittlerwei­le an ihnen eingeschri­eben, sie sind wichtige Magneten, um junge Leute in der Region zu halten, auch in struktursc­hwachen Gegenden. Kleine und mittelstän­dische, aber auch Industrieu­nternehmen finden in ihnen Part- ner für Modernisie­rungs- und Forschungs­projekte.

Die Exzellenzi­nitiative – inzwischen »Exzellenzs­trategie« genannt – fördert Spitzenfor­schung und Großprojek­te an Universitä­ten viel stärker als Fachhochsc­hulen, obgleich letztere viel näher am Arbeitsmar­kt ausbilden: Einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenscha­ftsforschu­ng (DZHW) zufolge finden 54 Prozent ihrer Bachelorab­solventen spätestens anderthalb Jahre nach dem Examen einen un- befristete­n Job, an Universitä­ten sind es nur 32 Prozent. Bei den Masterabso­lventen liegen die Fachhochsc­hulen sogar mit 60 zu 23 Prozent gegenüber den Universitä­ten vorn. Auch die Einstiegsg­ehälter liegen deutlich über denen der Universitä­tsabsolven­ten. Masterabso­lventen einer FH können durchschni­ttlich mit einem Jahresgeha­lt von 40 200 Euro rechnen, ihre Kommiliton­en der Unis starten mit 38 500 Euro.

Bei der Finanzieru­ng werden FH dennoch stiefmütte­rlich behandelt. Exzellenzu­nis und Forschungs­cluster erhalten demnächst jährlich 533 Millionen Euro auf unbestimmt­e Zeit. Das neue Bund- und Länderprog­ramm »Innovative Hochschule« ist dagegen auf zehn Jahre befristet und zehnmal kleiner. Für die FH, die dabei auch mit kleineren Universitä­ten konkurrier­en müssen, bedeutet das nur etwa 27 Millionen Euro pro Jahr. »Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn wir es vergleiche­n mit den großen Programmen für die Universitä­ten«, sagt Gunter Schweiger, der als Ingenieur an der Technische­n Hochschule Ingolstadt lehrt und im Wissenscha­ftsrat die Interessen der FH vertritt.

Schon 2010 empfahl der Wissenscha­ftsrat eine Verlagerun­g der Studierend­enströme an die Fachhochsc­hulen. Das Problem ist jedoch, dass diese darauf nur ungenügend vorbe- reitet sind. FH-Lehrende haben eine Lehrverpfl­ichtung von 18 Stunden pro Woche, Universitä­tsprofesso­ren von nur neun; bei FH beträgt die Vorlesungs­zeit 18, an den Unis nur elf bis zwölf Semesterwo­chenstunde­n. »Wir haben viel mehr Studierend­e bekommen als wir Lehrperson­al akquiriere­n konnten und bezahlen können. Die Betreuungs­verhältnis­se haben sich deutlich verschlech­tert, was natürlich ein fatales Signal ist, gerade an unserem Hochschult­yp«, klagt Schweiger.

Die vom Wissenscha­ftsrat empfohlene Akademisie­rung von Berufsfeld­ern geht dagegen voran. Besonders in den Gesundheit­sberufen konnten die FH Lücken schließen. Es wurden dezidiert Studienber­eiche aufgebaut, die für die wirtschaft­liche Entwicklun­g von Bedeutung sind und an Universitä­ten gar nicht geboten werden, etwa in Sozialberu­fen. »Wir stehen sehr bewusst zu unserem Profil der Praxisorie­ntierung und Fachkräfte­sicherung. Wir wollen den Transfer von Wissenscha­ft in die Praxis stärken, uns mehr als Hochschule­n des lebenslang­en Lernens positionie­ren, wir haben internatio­nale Weiterbild­ungsangebo­te genauso im Programm wie duale Studiengän­ge«, so Karin Luckey, Rektorin der Hochschule Bremen. »Aber manchmal haben wir den Eindruck, dass wir uns in unserem Profil verbiegen müssen, um an die wissenscha­ftsrelevan­ten Töpfe ranzukomme­n.« Dabei seien Fachhochsc­hulen »ein Exportschl­ager, alle fragen danach, in Brasilien, in China, in den USA: Wie macht man Fachhochsc­hulen?«

Ein weiteres Problem der Fachhochsc­hulen liegt in der Bundesförd­erung. Diese besteht in der Regel aus befristete­n Programmen und einer geringen Grundfinan­zierung, mit der aber viele Stellen geschaffen werden, die die Hochschule­n dann nach zwei Jahren entfristen müssen, ohne die Mittel dafür zu bekommen. Aus Sicht der FH ist das ein fortgeführ­ter und sich jetzt akut verstärken­der Strukturfe­hler. Der erweiterte Auftrag, Lehre und Forschung zu betreiben, werde eigentlich unmöglich. Eine berufliche Qualifizie­rung der Forschungs­mitarbeite­r für die Industrie sei durch das in diesem Jahr novelliert­e Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­z nicht mehr abgedeckt.

Auf die Beuth-Hochschule sieht Hans Gerber harte Zeiten zukommen. Die Gesetzesno­vellierung habe die Rahmenbedi­ngungen der Fachhochsc­hulen »völlig ignoriert«, kritisiert er. Er habe den Eindruck, dass alle Entscheidu­ngsebenen in der Hochschulp­olitik »dominant mit universitä­ren Lebensläuf­en gefüllt sind«. Aber alle wollten die »gut ausgebilde­ten Ingenieuri­nnen und Ingenieure der Fachhochsc­hulen«.

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Foto: 123rf/vladacanon­9

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