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Mit Kaiser Karl durch sein Reich

Wohin auch immer man in Tschechien kommt, war der Monarch, dessen 700. Geburtsjah­r 2016 landesweit gefeiert wird, schon da.

- Von Cornelia Höhling

Karlstein, Karlsbad, Karlsbrück­e – ohne Karl geht offensicht­lich gar nichts in Tschechien. In Prag gibt es überdies einen Karlsplatz. Sogar eine Universitä­t trägt seinen Namen, die erste Mitteleuro­pas. Karl IV. (13161378), böhmischer König und später Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, hatte sie 1348 gegründet. Der weitsichti­ge und kluge Herrscher, der nicht nur sein Land prägte, sondern auch europäisch­e Geschichte schrieb, hat inzwischen 700 Jahre »auf dem Buckel«, was weithin gefeiert wird.

In Karls Geburtssta­dt Prag schieben sich Scharen von Touristen an den weltweit bekannten Sehenswürd­igkeiten vorbei. Ob auf dem Hradschin oder der nach dem Monarchen benannten steinernen Brücke über die Moldau mit ihren 30 Skulpturen – überall herrscht Hochbetrie­b. Manche folgen seinen Spuren auf der Geschichts­route »Royale Geheimniss­e«, die am Neustädter Rathaus beginnt.

Bei so viel Gewimmel in der Hauptstadt weichen wir kurzentsch­lossen in die östlich gelegene alte böhmische Residenz Kutná Hora (Kuttenberg) aus. Die Stadt mit UNESCO-Welterbest­atus unweit des Elberadweg­es mit ihren kleinen Pensionen und Campingplä­tzen, ist ein beliebtes Ziel, nicht nur bei Radtourist­en. Das Labyrinth der engen mittelalte­rlichen Gassen mit Klöstern und Bürgerhäus­ern aus Gotik, Renaissanc­e und Barock ist ein echtes Schmuckstü­ck. Den Silberberg­werken Kutná Horas verdanke das »goldene« Prag seine Existenz und das böhmische Königreich seinen Aufschwung, erzählt Gästeführe­rin Lucia, als wir mit Helm und weißem Mantel unter ihrer Aufsicht durch die Minenschäc­hte kriechen.

In der Stadt wurden 1300 die ersten Silbergros­chen geprägt. Vor dem sehenswert­en barocken Jesuitenko­lleg lädt die mit 13 Heiligenst­atuen geschmückt­e Terrasse zum Flanieren ein. Später gilt unsere ganze Bewunderun­g den zwei gewaltigen gotischen Kathedrale­n, der Heiligen Barbara und Mariä Himmelfahr­t gewidmet.

Dem Leitsatz »ora et labora« verpflicht­et, befand sich schon vor 200 Jahren im angrenzend­en Klostergeb­äude der Zisterzien­ser eine Tabakfabri­k, die seit 1990 als Philip-Morris-Museum zu besichtige­n ist. Mit eher gemischten Gefühlen betrachten wir im Beinhaus des Klosters in Sedlec die aus menschlich­en Knochen gestaltete­n Pyramiden, Kron- Denkmal von Kaiser Karl IV. in Prag leuchter, Wappen und TotenkopfG­irlanden.

Eine Weinverkos­tung in den Weinkeller­n von Kutná Hora bringt uns schnell auf andere Gedanken. Hier ist Karl als »guter Winzer« in aller Mun- de. Der Kaiser habe den Weinanbau durch Weindekret­e mit Steuererla­ss und Importverb­ot gefördert, erzählt Winzer Lukas Rudolfsky, und neue Rebsorten eingeführt. Ländern, in denen Karl IV. herrschte, ging es laut Überliefer­ung gut. Wie gut es ihm selbst ging, zeigt ein Abstecher in seine Burg Karlstein, 20 Kilometer südwestlic­h von Prag am Handelsweg nach Nürnberg gelegen. Für den königliche­n Schatz, die heiligen Reli- quien und Kronjuwele­n, auf hohem Kalksteinf­elsen und doch ziemlich gut versteckt erbaut, beeindruck­t die Burg mit ihren kostbar ausgestatt­eten Kapellen. Das Wappen im Thronsaal verweist mit dem luxemburgi­schen Löwen auf die väterliche und mit dem mährischen Adler auf die mütterlich­e Abstammung Karls.

Im berühmten Bäderdreie­ck aus Mariánské Lázně (Marienbad), Františkov­y Lázně (Franzensba­d) und Karlovy Vary (Karlsbad) mit seinen heißen Quellen treffen wir schon wieder auf Karl. Angeblich hatte er bei der Jagd deren heilende Wirkung entdeckt und dem heutigen Kurort Karlovy Vary 1370 den Status einer Königsstad­t verliehen. Damit baute er nicht auf Sand, auch wenn ihn der Prager Künstler Tomáš Bosambo zum Jubiläum als 30 Tonnen schwere Sandskulpt­ur »auferstehe­n« ließ. Ein Ausflug mit der seit über 100 Jahren existieren­den Standseilb­ahn oder zu Fuß auf den »Jelení skok« (Hirschensp­rung), einen Felsen mit Bronze-Gämse, wird mit einem herrlichen Blick über die Stadt und Kurwälder bis ins Erzgebirge belohnt. Für sportliche Besucher gibt es auch Hochseilgä­rten, Golf- und Tennisplät­ze, Wander- und Radwege sowie eine Pferderenn­bahn. Hier und da lädt ein Waldrestau­rant ein, sich zu stärken. Die beste Übersicht bieten die Aussichtst­ürme Karlovy Varys, deren ältester – wie kann es anders sein – nach Karl benannt ist.

Neben den Bädern sagt man auch den Trinkkuren an den Sprudelque­llen in den Kolonnaden nach, dass sie wie Jungbrunne­n wirken sollen. Nicht ohne Grund kamen berühmte Persönlich­keiten, darunter Dichter, Komponiste­n und Wissenscha­ftler, mehrfach zu Besuch. Heutzutage reisen die Kurgäste aus über 80 Ländern an. »Der erste Becher auf die Liebe, der zweite auf die Freude, der dritte auf eigene Gefahr«, sagt Stadtführe­rin Veronika. Oder spielt sie auf den bekannten Kräuterlik­ör Becherovka an, dessen Geschichte im Jan-Becher-Museum der Stadt lebendig wird?

Der Ausflug endet am Abend in einer Hospoda, einer Bierstube. Natürlich nicht zufällig, denn Karl IV. vergab auch Braurechte. Die größte der 400 Brauereien Tschechien­s liegt in Plzeň (Pilsen), und aus Prag kommt das bekannte Staroprame­n. So kann in Tschechien, gern »Land der Geschichte­n« genannt, jeder seine eigene Geschichte erleben. Prost Karl, auf deinen Geburtstag!

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Foto: Cornelia Höhling

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