Sieben Tage, sieben Nächte
Die politischen Bilanzpressekonferenzen vor oder nach der parlamentarischen Sommerpause sind Teil des Rituals von Regierungschefs und der sogenannten vierten Macht – das war schon am Rhein so und ist es an der Spree geblieben. Und auch das Selbstdarstellungpotenzial diverser Hauptstadtkorrespondenten bei derlei Terminen hat sich in den letzten 30 Jahren kaum verringert. Womöglich, weil vorab schon klar ist, dass wirklich Neues beim öffentlichen Showdown kaum zu erwarten ist. Weshalb es in Bonn Ende der 1980er Jahre vorkam, dass die versammelten Pressevertreter bisweilen laut bei Helmut Kohls süffisanter Drohung aufstöhnten, er habe sich für die Journalisten viel Zeit genommen.
Im Unterschied zu ihm muss Angela Merkel seit Jahren mit der Bitte um Zeitzugaben rechnen. Auch in dieser Woche, als sie ihren Urlaub unterbrach, um die ursprünglich erst für September geplante Begegnung mit den Medien vorzuziehen. Natürlich hat dieser nicht ganz normale Vorgang – der zu TVStraßenbefragungen nach Erwartungen der Bevölkerung führte, was für eine Pressekonferenz wahrlich nicht die Regel ist – vor allem mit den Anschlägen in Bayern zu tun. Aber freilich auch mit den vornehmlich von der dortigen CSU erhobenen Vorwürfen, Merkel habe sich zum gewalttätigen Geschehen in Würzburg, München und Ansbach zu spät geäußert und müsse – weil nach Auffassung der bayerischen Staatspartei Flucht und Terror in einem Atemzug zu nennen sind – endlich Abstand von ihrer vor elf Monaten mit dem »Wir schaffen das« manifestierten Willkommenspolitik nehmen.
Den Gefallen, wer hätte es anders erwartet, hat die Kanzlerin den Widersachern in den eigenen Reihen nicht getan. Sie blieb im Übrigen auch methodisch ihrem Agieren treu: dicht neben dem emotionalen Bekenntnis zur humanitären Verantwortung hatte schließlich auch bei ihr stets die rational kalkulierte Verschärfung des Asylrechts ihren festen Platz. Und dabei soll es bleiben. Hier die historische Aufgabe, Schutzsuchenden zu helfen, da der Maßnahmekatalog zu ihrer schnelleren Abschiebung. Auch wenn Merkel mit Verweis auf die vielen schwierigen Situationen während ihrer bisherigen Amtszeit um demonstrative Unaufgeregtheit bemüht war, die von ihr eher selten benutzten Worte (deprimierend, nicht ausreichend, enttäuschend) zeigen, dass sich weder die Republik noch die Regierungschefin im Normalmodus befinden.
Das gilt freilich auch für Journalisten. Vielleicht ist es auch die Erklärung, warum die Kanzlerin wiederum nicht das festgesetzte Zeitlimit einhalten konnte. Jedenfalls lässt es auch in anderer Hinsicht tief blicken. Kohl hat es schließlich trotz der wenig ausgeprägten Fragelust auf den sommerlichen Presseterminen noch zehn Jahre im Kanzleramt ausgehalten.