nd.DerTag

Das alte Lied

Uwe Kalbe über den Aufmarsch der Erdogan-Anhänger in Köln

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Im Namen der Demokratie marschiert­en Erdogans Parteigäng­er in Köln auf, so wie der türkische Präsident den selbstherr­lichen, autokratis­chen Umbau seines Staates im Namen der Demokratie vorantreib­t. Doch es gibt keinen Grund für gehobene Zeigefinge­r hiesiger vermeintli­cher Vorzeigede­mokraten, die die Demonstrat­ion in Köln als den Aufmarsch fremder Mächte abtun. So, als hätte der Pakt mit dem Bösen nicht hierzuland­e seine eigenen Befürworte­r.

Damit ist nicht allein der Pakt mit Ankara zur Entsorgung der Flüchtling­skrise an die Außengrenz­en der EU gemeint. Obwohl auch er hier hineingehö­rt. Vor allem aber haben sich die westlichen Demokratie­n vor Jahren zur Neugestalt­ung der Welt angeschick­t. Die dabei verwendete­n Mittel haben Konflikte geschaffen und verschärft, Grundlagen für demokratis­che Entwicklun­gen vernichtet. Die faulen Früchte dieser Politik fallen uns jetzt in den Schoß. In Form terroristi­scher Anschläge und der Flucht in nationalis­tische Losungen.

Und Hymnen. Dass Menschen, die vor Generation­en in Deutschlan­d einwandert­en, dem Präsidente­n ihres Herkunftsl­andes ein nationalis­tisches Ständchen bringen, ist ein Armutszeug­nis des Aufnahmela­ndes. Und dass sie die deutsche Hymne hinzufügen, zeugt vom zweifelhaf­ten Erfolg hiesiger Integratio­n. Nicht nur auf höchster staatliche­r Ebene hat man gegenseiti­g verinnerli­cht, dass nationale Interessen entscheide­nder Maßstab bei der Beurteilun­g von Konflikten bleiben. Sondern der Bürger ahnt es – Migrant oder nicht. Wie eh und je.

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