Instabiles Tunesien
Martin Ling über die Abwahl des Ministerpräsidenten Habib Essid
Er kam als Konsenskandidat und er ging im Quasi-Konsens: Nur drei Abgeordnete sprachen Tunesiens Regierungschef Habib Essid noch ihr Vertrauen aus – nach gerade mal 18 Monaten Amtszeit, 118 aus den eigenen Reihen der Vier-Parteien-Regierungskoalition waren dazu nicht mehr bereit, die Opposition ohnehin nicht, wenn sie die Abstimmung nicht gleich boykottierte.
Essid, ein säkularer Technokrat und ausgebildeter Wirtschaftswissenschaftler, ist daran gescheitert, wo seit der Arabellion 2011 in Tunesien noch jeder Regierungschef scheiterte: die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Stabilisierung des Landes in Zeiten des islamistischen Terrors.
Die großen Hoffnungen, die durch den Sturz von Diktator Ben Ali bei der tunesischen Bevölkerung im Frühling 2011 geweckt wurden, sind weitgehend verpufft. Tunesien hat zwar als einziges Land des Arabischen Frühlings einen Übergang zur parlamentarischen Demokratie geschafft, doch angesichts der sozialen Lage ist das für viele ein Muster mit wenig Wert. Die Aufstände der Arbeitslosen und Hoffnungslosen im Januar waren die größten seit Ben Alis Sturz und mehr als Repression fiel der Regierung Essids nicht ein.
Präsident Béji Caïd Essebsi will nun eine Regierung der Nationalen Einheit schmieden. An der Aufgabe ändert sich nichts: Tunesien muss die Instabilität überwinden, um für Touristen und Wirtschaft ein lohnendes Ziel zu werden.