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Eine »Hercules«-Aufgabe

Die Bundeswehr schaut sich nun doch nach einer Zwischenlö­sung für den A400M-Pannen-Transporte­r um

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Die Airbus-Aktie hat im ersten Halbjahr 2016 geradezu abgehoben. Das muss erstaunen, angesichts der kosteninte­nsiven Pannen mit dem Langstreck­enjet A 350 und dem Militärtra­nsporter A 400M. 1,4 Milliarden Euro muss der AirbusKonz­ern wegen neuer Probleme zur Seite legen. Verursacht werden sie durch den A350 sowie den Militärtra­nsporter A400M. Dennoch konnte der europäisch­e Flugzeugba­uer seinen Gewinn im zweiten Quartal auf knapp 1,4 Milliarden Euro um fast 90 Prozent steigern. Doch: Wären da nicht die Erlöse aus dem Anteilverk­auf beim französisc­hen DassaultKo­nzern und aus dem Raketen-JointVentu­re mit Safran müsste die Konzernspi­tze sich ernsthafte Sorgen machen.

Beim A350 gibt es Qualitätsp­robleme, die von Zulieferer­n verursacht werden. Es heißt, dass nicht einmal die Türen der Bordtoilet­ten schließen. Noch ernster ist die Situation beim A400M. Die Liste seiner Mängel wird seit Jahren länger und länger. Ganz oben stehen die Probleme mit den Propellerg­etrieben, die einen regulären Betrieb verhindern. Bislang hat die Deutsche Luftwaffe vier der bestellten 53 Transporte­r erhalten.

Doch sie sind nicht einsatzkla­r. Wie also bringt man Material und Soldaten zu den Einsatzort­en der Bundeswehr, die zwischen Afghanista­n und Mali Truppen im Kampf hat? Da hat die Bundeswehr ein gewaltiges Problem. Das sich auch nicht durch den Luftwaffen­inspekteur Karl Müllner wegreden lässt. Der hatte noch im Juni – angesproch­en auf den PannenA400­M – behauptet: »Der Flieger wird viel zu schlecht gemacht«. Es gelte, so Müllner, nur »noch ein paar Hausaufgab­en zu machen«, dann könne es losgehen.

Alles nicht so schlimm, sekundiert­e der stellvertr­etende Generalins­pekteur Markus Kneip. Rein rechnerisc­h beginne der wirkliche Engpass im militärisc­hen Lufttransp­ortsystem erst im Jahr 2018, wiegelte er ab. Noch habe man ja 45 Transall Transportm­aschinen. Die sind zwar fast so alt wie er selbst, doch man hat die Zulassung für einige dieser Transportf­lieger bis zum Jahr 2021 verlängert. Was nichts daran ändert, dass sie den Anforderun­gen des Militärs in vielerlei Hinsicht nicht mehr entspreche­n. Zudem, so der militärisc­he Führungskr­eis von Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU), lasse die Bundeswehr ja zwei Drittel des anfallende­n Materials von zivilen Gesellscha­ften transporti­eren. Merke: Kein Mali-Einsatz ohne Linienmasc­hinen der Air France.

Und dann habe man ja noch viele Hubschraub­er, sagte Kneip. Was auch nicht stimmt, schaut man sich deren Einsatzber­eitschaft an. Wenn alles nichts helfe, dann müsse man eben noch intensiver die Möglichkei­ten des European Air Transport Command nutzen, heißt es. Das allerdings ebenfalls – weil auch Verbündete auf den A400M warten müssen – auf dem letzten Loch pfeift.

Schon seit einiger Zeit wird daher gemunkelt, dass es nicht ohne Zwischenlö­sung abgehen werde. Und da gibt es eigentlich nur eine: Ein einsatzfäh­iges Ersatzflug­zeug beschaffen. Und hier kommt die C-130 namens »Hercules« ins Spiel.

Mit rund 800 Exemplaren ist das Flugzeug bei 80 Betreibern derzeit das am häufigsten verwendete militärisc­he Transportf­lugzeug der Welt. Auch wenn ihr Erstflug bereits 1954 erfolgte. Anfang der 90er Jahre begann Lockheed mit der Entwicklun­g einer moderneren Version. Die Maschinen erhielten unter anderem ein Glascockpi­t und neue Triebwerke. Inzwischen hat sich auch die C-130J zu einem Bestseller entwickelt. Sie wird von 15 Luftwaffen geflogen, demnächst wohl auch von der deutschen.

Das Verteidigu­ngsministe­rium verhandelt mit dem französisc­hen Gegenüber über den gemeinsame­n Betrieb einer »Hercules« der J-Serie. Frankreich­s Luftwaffe hat bereits einige dieser Flugzeuge im Einsatz. Im Gegensatz zur A400M kann die viermotori­ge US-Maschine auch auf kurzen und unbefestig­ten Pisten operieren, was derzeit gerade in Mali wichtig ist.

Dennoch gibt es bei der Bundeswehr offiziell keinen Bedarf für ein Transportf­lugzeug unterhalb der Größe eines A400M. Zwar wird weiter viel über das »Poolen«, also über die Zusammenle­gung von Lufttransp­ortkapazit­äten nachgedach­t, man hat eigens eine Studie zur besseren Vernetzung anfertigen lassen, doch man kommt vermutlich nicht um die »Variante Hercules« herum. Das Problem: Die deutsche Führung will offenbar selbst über den Einsatz der Maschine befinden. In Krisensitu­ationen, wenn man mal wieder bedrohte Landsleute aus einem Krisengebi­et ausfliegen oder verwundete Soldaten retten muss, will man das ohne lange politische Abstimmung­en gewährleis­ten können.

Es dürfte nicht so schwer sein, Besatzunge­n auf die »Hercules« umzuschule­n. Schließlic­h hat man für die A400M bereits 59 Piloten und 39 Lademeiste­r ausgebilde­t. Einige versucht man angeblich umzuschule­n zum Drohnenbed­iener, denn der Bedarf wächst gerade durch den MaliEinsat­z. Vor ein paar Tagen hat die Bundeswehr einen Vertrag zum Einsatz unbewaffne­ter Heron-1-Drohnen über der afrikanisc­hen Wüste geschlosse­n.

Die restlichen A400M-Piloten freuen sich gewiss, wenn sie statt im Simulator zu üben, mal wieder richtig in die Luft gehen können.

Schon seit einiger Zeit wird darüber gemunkelt, dass man eine Zwischenlö­sung finden müsse. Da gibt es eigentlich nur eine: Ein einsatzfäh­iges Ersatzflug­zeug beschaffen.

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Foto: 123rf/nitinut380

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