Brexit sorgt für Boom des Rassismus
Insbesondere Osteuropäer leiden unter der Hasswelle
Großbritanniens neue Innenministerin Amber Rudd möchte entschlossener gegen Alltagsrassismus vorgehen. Synagogen, Kirchen und Moscheen sollen von der Regierung Geld erhalten, um sich gegen rassistische Übergrifft zu schützen. Zudem sollen Hassverbrechen vor Gericht schneller verhandelt und Täter schneller verurteilt werden. »Die Regierung ist entschlossen, ein Großbritannien zu schaffen, das für alle funktioniert«, sagte die Ministerin.
Hintergrund ist ein drastischer Anstieg an rassistisch motivierter Gewalt seit dem Brexit-Referendum. In den vier Wochen zwischen Mitte Juni und Mitte Juli registrierte die Polizei fast 6200 Vorfälle, ein Fünftel mehr als im Vorjahreszeitraum. Das sind über 200 pro Tag. Am häufigsten sind Beleidigungen und Bedrohungen. Oft sind Menschen aber auch bespuckt und angegriffen worden. Ein Zehntel der Opfer: Kinder.
Auffällig oft entlädt sich der Hass auf Muslime und EU-Bürger aus Osteuropa. In Plymouth haben Unbekannte die Gartenlaube
»Die Regierung ist entschlossen, ein Großbritannien zu schaffen, das für alle funktioniert.«
Amber Rudd, britische Innenministerin einer polnischen Familie niedergebrannt und eine Nachricht zurückgelassen: »Geht zurück in euer verf***tes Land. Nächstes Mal wird es eure Familie sein.«
Der Status der in Großbritannien lebenden EU-Bürger ist derzeit unklar. Erst vorige Woche bestätigte Premierministerin Theresa May, dass sie nicht dazu bereit sei, den Menschen – die ja legal im Land sind – ein Aufenthaltsrecht zu garantieren. Darüber müsse in den Gesprächen mit der EU verhandelt werden.
Ministerin Rudd wies denn auch Vorwürfe zurück, dass die Regierung für den Anstieg der Hassverbrechen mitverantwortlich sei. Darauf angesprochen, sagte sie: »Ich glaube das nicht. ... Wir hoffen, dass die EU-Bürger hier bleiben und zum Leben in Großbritannien beitragen können.« Kritiker sehen das anders. Die Oberhausabgeordnete und frühere Vizevorsitzende der konservativen Partei, Sayeeda Warsi, warf führenden Ausstiegsbefürwortern vor, sie hätten mit ihrer auf Einwanderung ausgerichteten Negativkampagne das gegenwärtige gesellschaftliche Klima geschaffen, in dem Leute es akzeptabel fänden, Mitgliedern lange etablierter Gemeinschaften zu sagen »Es ist an der Zeit für euch zu gehen«.
Schon die offizielle »Vote Leave«-Kampagne unter Boris Johnson und Michael Gove hatte in den Wochen vor dem Referendum mit einem offenen Rechtsruck Aufsehen erregt. Im Mai veröffentlichte die Gruppe ein Plakat, auf dem stand: »Die Türkei (Einwohnerzahl: 76 Millionen) tritt der EU bei.« Darunter abgebildet waren schmutzige Fußabdrücke, die in einen britischen Pass führen.
Nigel Farage, der damalige Chef der rechtspopulistischen UKIP, provozierte Mitte Juni einen Aufschrei. Er veröffentlichte ein Plakat, auf dem Flüchtlinge an der kroatisch-slowenischen Grenze im vergangenen Jahr zu sehen waren. Darunter stand: »Wir müssen uns von der EU losreißen und die Kontrolle über unsere Grenzen wiederherstellen.« Wenige Stunden später griff ein Rechtsextremist die Labour-Abgeordnete Jo Cox an, schoss auf sie und stach auf sie ein. Cox starb.