nd.DerTag

Megametrop­ole Karatschi mit Megaproble­men

Trinkwasse­rmangel und Stromausfä­lle, aber kein Mangel an Korruption / Schweigen über den Skandal um Bahria Town

- Von Gilbert Kolonko

Es gibt Skandale, die sind so groß, dass man nach dem ersten Aufschrei lieber so tut, als sei nichts gewesen. So im Fall der pakistanis­chen Bahria Town. Im Innern des bröckelnde­n Kolonialge­bäudes in der Nähe des Empressmar­ktes in Karatschi lächelt mich der Teekoch herzlich an. Wer raus auf die Straße schaut, wo sich eine Blechlawin­e durch die Straße hupt, hat indes wenig Grund zum Lachen. Erst recht, wenn man dann in einem der verbeulten Busse den schwarzen Lyari Fluss überquert und beißender Gestank Tränen in die Augen treibt. 20 oder 22 Millionen Menschen leben mittlerwei­le in Karatschi, so genau weiß das niemand. Täglich strömen Tausende hinzu. Schon jetzt kann der Staat nach eigenen Angaben nur 50 Prozent der Bewohner Karatschis mit Trinkwasse­r versorgen, Stromausfä­lle bis zu 18 Stunden am Tag sind gerade im Sommer normal. Laut einer Studie des Max Planck Instituts ist Karatschi die Megametrop­ole mit den meisten Todesfälle­n wegen Luftversch­mutzung.

Das wichtigste Erholungsg­ebiet Karatschis, der Strand von Clifton, ist auch 13 Jahre nach dem Untergang des Öltankers Tasman schwarz, obwohl die Betreiber die Regierung finanziell entschädig­t hatten. Das Hafenwasse­r ist hochgradig kontaminie­rt. Schwerbewa­ffnete Rangers, eine Sondereinh­eit der pakistanis­chen Armee, patrouilli­eren seit einem Jahr durch die Straßen.

Nur dank ihnen konnte die Zahl von jährlich 3000 Auftragsmo­rden und bis zu 20 000 täglichen Straftaten gesenkt werden.

Die politisch Verantwort­lichen, die die kriminelle­n Bandenführ­er kontrollie­ren, sind jedoch weiterhin auf freiem Fuß. Noch vor dem Sommer veröffentl­ichte die pakistanis­che Zeitung »the dawn« einen Artikel über das Wohnprojek­t Bahria Town im Norden von Karatschi, wo der Bauunterne­hmer und Milliardär Malik Riaz eine eigene kleine Stadt für 500 000 Menschen aus dem Boden gestampft hat. Im kleinsten Detail zeigten die Journalist­en Fahim Zaman und Naziha Syed Ali auf, dass die ganze Unternehmu­ng auf Korruption und Vertreibun­g gebaut wurde.

Alle steckten sie mit drin: Vom kleinen Polizisten und mittleren Beamten über führende Politiker bis zu Ex-Generälen. Staatsland wurde illegal an Riaz verkauft, Dörfer wurden plattgemac­ht, die Bewohner vertrieben. Wer aufmuckte, bekam auch schon mal eine Anzeige nach den Gesetzen der Anti-Terror-Bekämpfung. Dazu wurden alle Hauptstraß­en, Abwasserka­näle, Boulevards und Brücken der Siedlung aus dem klammen Staatshaus­halt bezahlt.

Das Wasser, welches in Bharia Town 24 Stunden am Tag aus der Leitung fließen soll, wird aus dem eh schon knappen Reservoir der Menschen Karatschis abgezapft. Zuerst ging ein Aufschrei durch die Lesergemei­nde, doch dann merkten die ersten etwas: Da geht es um meine Rettung aus dem Schlamasse­l, auch ich habe mir dort schon eine Wohnung gekauft!

Einige verteidigt­en Malik Riaz: Er schaffe wenigstens Wohnungen, während der Staat auch darin völlig versage. Dazu ist Malik Riaz einer der größten Steuerzahl­er seines Landes, im Gegensatz zu seinen Milliardär­skollegen Nawaz Sharif, aktueller Ministerpr­äsident, und Ex-Präsident Asif Zardari. Riaz scheint sich jedenfalls sicher zu fühlen, denn freimütig erklärte er, dass alles in Pakistan, was Rang und Namen hat, auf seiner Bestechung­sliste stehe und setzte hinzu: »Wenn sie den Betrag meines höchsten Bestechung­sgeldes wüssten, würden sie einen Herzinfark­t bekommen.«

Seit dem »dawn«-Artikel herrscht eisiges Schweigen über dieses Vorzeige-Fortschrit­tsprojekt der freien Wirtschaft. Kein Wunder. An den Rändern von 15 Städten Pakistans entstehen für 20 Milliarden Dollar Bahria Towns, darunter Rawalpindi und Peshawar, die in einer Rangliste zu den zehn versmogtes­ten Städten unserer Erde gehören.

Da die Regierung vor allem auf die Steigerung des Wirtschaft­swachstums mit Hilfe von »Billigarbe­itern« für den Export setzt, heißt das: Mehr ungefilter­te Abwasser und Abgase aus den Industrien, mehr Landbewohn­er die in die planlos ausufernde­n Städte strömen werden, mehr Bharia Towns, weniger Wasser für die Masse der Bevölkerun­g.

Durch die Aufdeckung des Skandals um das Projekt Bharia Town in Karatschi kam auch der Mord im Jahr 2013 an der Bürgerrech­tlerin Perween Rahman wieder ins Licht. Wie viele andere Aktivisten und Journalist­en wurde sie nicht von religiösen Fanatikern getötet, sondern weil sie korrupten Machenscha­ften in die Quere kam.

In ihrem Fall waren es die der Landmafia von Karatschi. Perween Rahman setzte sich auch für die Rechte der Dorfbewohn­er um Karatschi herum ein, weil sie voraussah was Projekte wie Bahria Town anrichten würden. Sie wurde auch nie müde zu sagen: »Fortschrit­t kommt nicht durch Beton, er kommt durch menschlich­e Entwicklun­g!«

 ?? P. P. im DZ/EZZ ??
P. P. im DZ/EZZ
 ?? Foto: Gilbert Kolonko ?? Am (Öl-)Strand von Clifton
Foto: Gilbert Kolonko Am (Öl-)Strand von Clifton

Newspapers in German

Newspapers from Germany