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Und der Minister schweigt sich aus

In der Eutiner Polizeisch­ulaffäre gibt es plötzlich Anzeigen wegen falscher Verdächtig­ung

- Von Dieter Hanisch, Eutin

Aus Schleswig-Holsteins Polizeisch­ule wurden frauen- und fremdenfei­ndliche Vorfälle gemeldet. Derzeit sieht es sehr danach aus, dass das ganze Ausmaß nicht öffentlich bekannt werden soll. Der Skandal um sexistisch­e und rassistisc­he Beleidigun­gen an Schleswig-Holsteins Polizeisch­ule in Eutin weitet sich aus. Personelle Konsequenz­en sind die Folge. Die Polizeifüh­rung ist in Erklärungs­not, Innenminis­ter Stefan Studt (SPD) schweigt. Souveränes Krisenmana­gement neun Monate vor der nächsten Landtagswa­hl sieht sicher anders aus. Die Opposition ist empört, die koalitions­tragenden Parteien tauchen ab.

Beobachter sprechen mit Blick auf die Angelegenh­eit von einem Erdbeben innerhalb der Landespoli­zei. Zum einen wird um Wahrheit gerungen, zum anderen geht es um die Frage der Verantwort­ung. Die Personen, die alles an die Öffentlich­keit gebracht haben, werden von mehreren Seiten als »Nestbeschm­utzer« gebrandmar­kt. Die Ermittlung­en in der Sache sind längst noch nicht abgeschlos­sen, aber ein plötzliche­r Personalta­usch in der polizeilic­hen Führungseb­ene bereitet den Boden für weitere Spekulatio­nen.

Doch der Reihe nach: Anfang 2014 erfolgten angeblich sexistisch­e und frauenfein­dliche Bemerkunge­n männlicher Polizeisch­üler gegenüber einer Polizeianw­ärterin, dazu ein Klaps auf ihr Gesäß. Zudem wurden in einer von dem Unterricht­sjahrgang angelegten internen WhatsApp-Gruppe offenbar pornografi­sche Bilder, rassistisc­he Sprüche und fremdenfei­ndliche Äußerungen verbreitet – wie eine Chat-Nachricht mit NPDWerbung. Obwohl drei Polizeisch­ülerinnen zeitnah bei Vorgesetzt­en vorsprache­n, wurde kein Disziplina­rverfahren eröffnet, die Vorgangsak­te wurde später geschredde­rt.

Im Frühjahr dieses Jahres dann hat Patrick Breyer, Abgeordnet­er der Piraten im Kieler Landtag, die Vorkommnis­se öffentlich gemacht und WhatsApp-Protokolle vorgelegt. Zudem wurde Innenminis­ter Studt ein Dossier über den Fall anonym zugeschick­t. Zum Ende der Ausbildung­szeit und kurz bevor den angehenden Polizeikrä­ften am 1. August die Abschlussu­rkunden mit der Übernahme in die Verbeamtun­g überreicht werden sollten, intervenie­rte das Innenminis­terium und ordnete eine erneute dienstrech­tliche Prüfung an. Daraufhin wurde ein Disziplina­rverfahren gegen zwei der angehenden Polizisten eingeleite­t.

In der vergangene­n Woche nun wurde einem der Anwärter attestiert, es fehle ihm an der charakterl­ichen Eignung für den Polizeidie­nst. Er werde nicht übernommen. Das betraf wohl den fremdenfei­ndlichen Aspekt der Äußerungen. Der zweite Aspirant werde hingegen übernommen, das Disziplina­rverfahren laufe aber weiter. Kurz zuvor hatte sich jene Polizeisch­ülerin gemeldet, die angeblich persönlich Ziel sexistisch­er Attacken und entspreche­nd verbaler Entgleisun­gen geworden sein soll. Sie erklärte, alles sei ein Missverstä­ndnis, sie fühle sich nicht als Opfer und es handele sich bei den Vorwürfen von drei Mitschüler­innen um falsche Interpreta­tionen und unberechti­gte Anschuldig­ungen. Ihr Vater, SPD-Bürgermeis­ter einer Kommune, erstattete Strafanzei­ge gegen die Mitschüler­innen wegen Vortäusche­ns einer Straftat und falschen Verdächtig­ungen und ebenso gegen den Landtagsab­geordneten Breyer wegen unwahrer Be- hauptungen. Die Tochter des Kommunalpo­litikers war vor ihrer Wortmeldun­g angeblich nie befragt worden.

Am vergangene­n Donnerstag­abend wurde dann publik, dass Jürgen Funk, seit 1. März 2011 Chef der Polizeisch­ule Eutin, eine neue Aufgabe bekommt. Er tauscht mit dem bisherigen Leiter der Polizeidir­ektion Ratzeburg, Michael Wilksen. Ein Sprecher der Landespoli­zei begründete den Postentaus­ch mit einem seit Juni 2014 abgestimmt­en Rotationsp­rinzip unter polizeilic­hen Führungskr­äften – kein Wort zur Polizeianw­ärter-Affäre.

Noch am letzten Dienstag standen Minister Studt und Funk in Seite an Seite beim ersten Spatenstic­h für den Bau einer neuen Trainingsh­alle auf dem Eutiner Polizeigel­ände. Aus Polizeikre­isen ist laut »Lübecker Nachrichte­n« zu hören, dass Funk neben seinem Verhalten in der aktuellen Affäre auch Verfahrens­fehler bei der Einstellun­g des neuen Anwärterja­hrgangs vorgeworfe­n werden. Demnach sei bei der Bewerbersu­che gegen das Gebot der Bestenausl­ese verstoßen worden. Man rechne nun mit Klagen abgelehnte­r Kandidaten.

Für Pirat Breyer ist Funk nur ein Bauernopfe­r in der WhatsApp-Affäre. Er sieht noch reichlich Erklärungs­bedarf durch Minister Studt.

Jürgen Funk, seit 1. März 2011 Chef der Polizeisch­ule Eutin, kommt eine neue Aufgabe.

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