Vollstrecker im Sturm
Die ehemaligen Bremer Davie Selke und Nils Petersen bilden in Rio die Doppelspitze
Die deutsche U21-Nationalmannschaft trifft am Donnerstag zum Auftakt des olympischen Fußballturniers auf Mexiko. Die klassischen Mittelstürmer Selke und Petersen sollen für Tore sorgen. Nils Petersen nickte kurz, als Horst Hrubesch beim letzten Training auf deutschem Boden auf ihn einredete. Dann ging der Trainer der deutschen U21-Olympiamannschaft wenige Meter weiter zu Davie Selke, der alsbald eine kräftige Hand auf seiner Schulter spürte. Diesmal dauerte das Gespräch unter echten Mittelstürmern noch eine ganze Weile länger. Zuerst musste Hrubesch die Protagonisten überzeugen, was mit der ersten Olympiateilnahme eines Männerteams seit 1988 geplant ist: ein Großangriff mit zwei klassischen Mittelstürmern.
Der A-Nationalmannschaft blieb bei der EM auch die Krönung versagt, weil außer Mario Gomez kein zweiter Vollstrecker vorhanden war. Hrubesch, selbst einst leuchtendes Vorbild als durchsetzungsstarker Angreifer mit Beiname »Kopfballungeheuer«, bietet das Kontrastprogramm und hat bewusst zwei dieser Stürmertypen berufen: den Freiburger Nils Petersen (27 Jahre/21 Saisontore) und den Leipziger Davie Selke (21 Jahre/zehn Saisontore).
Bereits beim ersten Gruppenspiel am Donnerstag gegen Mexiko, immerhin der Olympiasieger von 2012, dürfte die Doppelspitze auflaufen, anders ließen sich die Übungsformen vor der Frankfurter Arena am Freitag gar nicht deuten. »Ich habe diese Möglichkeit, mit zwei Stürmern zu spielen. Jetzt geht es darum, wer derjenige ist, der sich fallen lässt«, verriet Hrubesch, der darauf vertraut, dass sich die lediglich sechstägige Anlaufzeit zwischen Treffpunkt und Turnierstart zumindest in vorderer Linie nicht nachteilig auswirkt. Denn: »Die beiden kennen sich aus Bremen ja gut.«
Bevor Petersen im Januar 2015 in den Breisgau wechselte, spielte er ebenso bei Bremen wie Selke, der vor einem Jahr dem Lockruf aus Sachsen erlag. »Als wir von Werder weggingen, haben wir regelmäßig SMS ausgetauscht. Wir sind beide aufgestiegen, haben nach dem direkten Duell die Trikots getauscht und einige Tore geschossen – insofern haben wir alles richtig gemacht«, erklärt Petersen.
Den letzten Feinschliff holt sich das deutsche Aufgebot mit der ersten Trainingseinheit am Montag auf der Anlage des Zweitligisten Esporte Clube Bahia in Salvador. Am späten Samstagabend ging der Flieger LH 500 von Frankfurt nach Rio de Janeiro, ehe die Weiterreise in die Küstenstadt erfolgte, in der auch das zweite Gruppenspiel gegen Südkorea am 7. August stattfindet und in der vor zwei Jahren auch die A-Mannschaft ihre WM-Mission begann.
Vor allem Petersen konnte von einem Brasilientrip bisher nur träumen. Die Berufung glich für ihn einer »Überraschung«, als »mich auf einmal mein Trainer Christian Streich informiert hat, dass man mich gerne mitnehmen würde.« Der 27-Jährige, der gerne so schnell spricht wie er schießt, gehört mit den Bender-Zwillingen zu den drei älteren Akteuren, die vor dem 1. Januar 1993 geboren sind. Die aufgeregte Stürmerdiskussion hat auch Petersen aufmerksam verfolgt.
»Ich habe immer gesagt, dass Mittelstürmer wichtig sind. Meiner Meinung nach geht es nicht ohne, dafür sind Davie und ich ein gutes Beispiel.«
Er wolle sein Hauptaugenmerk darauf liegen, Tore zu schießen, versuche aber auch, seine Erfahrung einzubringen, »ich habe ja doch ein paar
»Ich habe immer gesagt, dass Mittelstürmer wichtig sind. Meiner Meinung nach geht es nicht ohne, dafür sind Davie und ich ein gutes Beispiel.«
Nils Petersen mehr Spiele auf dem Buckel als die meisten.« Selke bringt wiederum den Vorteil ein, dass er die meisten Mitspieler von der U21 gut kennt.
Die Spielidee des Trainers Horst Hrubesch ist es, den trickreichen Schalker Max Meyer, zentral hinter den Spitzen postiert, als Vorlagengeber für die beiden Stürmer agieren zu lassen.
Für Selke könnte ein starker Auftritt unter den Olympischen Ringen auch eine Bewerbung in ferner Zukunft fürs A-Team sein – Gomez ist nicht umsonst sein großes Vorbild. Er ist mächtig stolz darauf, sich auf solch einer Bühne präsentieren zu dürfen, nachdem er die U20-WM vor einem Jahr auf Wunsch seines Arbeitgebers absagte. Durch die Verpflichtung von Timo Werner und durch den Verbleib von Yussuf Poulsen wird die vereinsinterne Konkurrenz bei Leipzig nicht weniger, aber selbst der gestrenge RB-Sportchef Ralf Rangnick wollte ihm diese »einmalige Chance« nicht verwehren. »Rio ist ein Riesenerlebnis«, lässt Selke wissen.