nd.DerTag

Visafrei nur ohne Erdogan

- Fabian Lambeck über die Drohgebärd­en Ankaras

Ankara droht, den umstritten­en Flüchtling­spakt mit der EU aufzukündi­gen. Wieder mal. Denn die versproche­ne visafreie Einreise für türkische Staatsbürg­er, die bereits ab 1. Juli gelten sollte, lässt auf sich warten. In Ankara wächst der Unmut. Auch weil Erdogan meint, seinen Teil des Abkommens erfüllt zu haben. Er hält die Flüchtling­e im Land und nimmt diejenigen auf, die zurück geschickt werden. Die 72 Kriterien, die die EU zur Bedingung einer Visafreihe­it machte, sind ihm hingegen offenbar weniger wichtig.

So sehr es den türkischen Bürgern zu wünschen ist, dass sie ohne die zeitrauben­den Visaformal­itäten in den Schengen-Raum einreisen können: Mit dieser AKP-Regierung in Ankara kann es kein solches Abkommen geben. Das würde Erdogan noch weiter aufwerten, hat er die Visafreihe­it doch zu seinem persönlich­en Projekt gemacht. Erst recht darf es keine Zugeständn­isse geben, solange Erdogan sich weigert, dass umstritten­e Anti-Terror-Gesetz zu reformiere­n. Es ist eben nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung der PKK, wie die Regierung in Ankara behauptet. Schon vor dem Putsch nutzte Erdogan das Gesetz, um gegen kritische Journalist­en, Wissenscha­ftler und Politiker wegen angebliche­r »Terrorprop­aganda« vorzugehen.

Wenn Brüssel und Berlin schon den schmutzige­n Flüchtling­s-Deal mit Erdogan nicht aufkündige­n wollen, sollten sie zumindest in dieser Frage standhaft bleiben.

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