Visafrei nur ohne Erdogan
Ankara droht, den umstrittenen Flüchtlingspakt mit der EU aufzukündigen. Wieder mal. Denn die versprochene visafreie Einreise für türkische Staatsbürger, die bereits ab 1. Juli gelten sollte, lässt auf sich warten. In Ankara wächst der Unmut. Auch weil Erdogan meint, seinen Teil des Abkommens erfüllt zu haben. Er hält die Flüchtlinge im Land und nimmt diejenigen auf, die zurück geschickt werden. Die 72 Kriterien, die die EU zur Bedingung einer Visafreiheit machte, sind ihm hingegen offenbar weniger wichtig.
So sehr es den türkischen Bürgern zu wünschen ist, dass sie ohne die zeitraubenden Visaformalitäten in den Schengen-Raum einreisen können: Mit dieser AKP-Regierung in Ankara kann es kein solches Abkommen geben. Das würde Erdogan noch weiter aufwerten, hat er die Visafreiheit doch zu seinem persönlichen Projekt gemacht. Erst recht darf es keine Zugeständnisse geben, solange Erdogan sich weigert, dass umstrittene Anti-Terror-Gesetz zu reformieren. Es ist eben nicht nur ein Instrument zur Bekämpfung der PKK, wie die Regierung in Ankara behauptet. Schon vor dem Putsch nutzte Erdogan das Gesetz, um gegen kritische Journalisten, Wissenschaftler und Politiker wegen angeblicher »Terrorpropaganda« vorzugehen.
Wenn Brüssel und Berlin schon den schmutzigen Flüchtlings-Deal mit Erdogan nicht aufkündigen wollen, sollten sie zumindest in dieser Frage standhaft bleiben.