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Rechnender Schäuble

Vergangene­s Jahr konnte der Bund Schulden abbauen – die Gemeinden nicht

- Von Simon Poelchau

Der Bund kann Schulden abbauen – mit viel Hilfe von außen.

Im März, Mai und Juni verdiente der Bund unterm Strich an seinen Schulden. Dies liegt jedoch nicht unbedingt an Schäubles Können. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäubles oberstes Prinzip ist das Sparen. Man kann gegen ihn sagen, was man will: Entgegen allen guten Gründen und Stimmen, die sagen, dass Sparen nicht alles sei – der CDUVeteran hält an seinem Prinzip fest. Er schiebt die Rechenregl­er so lange hin und her, bis bei seinem Haushaltsp­lan wieder mal die schwarze Null herauskomm­t. Bis 2020 will Schäuble sogar den gesamtstaa­tlichen Schuldenst­and unter die Maastricht-Quote von 60 Prozent gesenkt haben.

Vergangene­s Jahr ist Schäuble seinem Ziel ein Stück näher gekommen. Wie das Statistisc­he Bundesamt am Montag mitteilte, ist der öffentlich­e Schuldenst­and 2015 um ein Prozent zurückgega­ngen. Der Bund konnte seine Verbindlic­hkeiten sogar um 1,9 Prozent auf rund 1,26 Billionen Euro reduzieren. Und das in Zeiten, in denen Spanien und Portugal gerade erst Angst haben mussten, von der EU-Kommission bestraft zu werden, weil sie mehr Schulden machten als aufgrund der Maastricht-Vorgaben erlaubt ist.

Die »Bild«-Zeitung meldete am Montag, dass Schäuble ein weiteres Kunststück gelungen sei: Der Bund macht mit seinen Schulden Geld. 1,5 Milliarden Euro habe er von seinen Geldgebern dafür bekommen, dass sie

deutsche Staatsanle­ihen kaufen konnten. In der Tat bekam der Bund im März, Mai und Juni unterm Strich etwas mehr für seine Schulden als er zahlen musste. Die restlichen drei Monate des ersten Halbjahres musste er jedoch wie gewohnt netto Zinsen zahlen. Insgesamt belief sich der Schuldendi­enst auf 7,5 Milliarden Euro.

Der Grund für die Negativzin­sen ist das sogenannte Agio, das Schäuble auf den Nennwert der Anleihen bei deren Verkauf draufschla­gen kann. Dieser Aufschlag, den der Bund erhält, wird als Einnahme gebucht und war iin den genannten drei Monaten so hoch, dass er die Zinszahlun­gen überstieg, weshalb der Fiskus in diesen Monaten netto an seinen Schulden verdiente.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass der Bund mit seiner Neuverschu­ldung Geld macht. Bereits im Juli 2012 wiesen neu herausgege­bene Staatsanle­ihen des Bundes eine negative Effektivve­rzinsung auf. Seitdem war es eher die Regel, dass der Bund an seinen kurzfristi­gen Staatsanle­ihen Geld verdiente. Im Juni gelang ihm das nun auch mit der Ausgabe langfristi­ger, zehnjährig­er Wertpapier­e.

Doch ist dieses Kunststück bei weitem nicht allein Schäubles Fähigkeite­n als Finanzmini­ster geschuldet. Es hat vielmehr mit der europäisch­en Großwetter­lage zu tun. Seit dem Ausbruch der Finanzkris­e sind die Inves- toren verunsiche­rt. Sie wissen nicht, wo sie ihr Geld noch parken oder gar investiere­n können, ohne dass es vernichtet wird. Deutsche Staatsanle­ihen gehören da zu den Anlageobje­kten, die als noch relativ sicher gelten. Dies machte sich auch jüngst nach dem Brexit-Votum der Briten bemerkbar: Das britische Pfund sackte innerhalb weniger Tage auf einen historisch­en Tiefststan­d. »Im Gegenzug fragten Anleger besonders sichere Anlagen wie deutsche Staatsanle­ihen oder auch Gold nach«, schreibt das Bundesfina­nzminister­ium in seinem aktuellen Monatsberi­cht. Nicht ganz unbeteilig­t an Schäubles Erfolg ist indes ein Mann, an dem der Finanzmini­ster meist kein gutes Haar lässt: Es ist der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), Mario Draghi. Im April etwa machte Schäuble die Niedrigzin­spolitik der EZB mitverantw­ortlich für den Aufstieg der rechtspopu­listischen AfD. Doch das billige Geld der Notenbank drückt nicht nur auf das Sparbuch des deut-

Wolfgang Schäuble macht die EZB auch mal mitverantw­ortlich für den Erfolg der AfD. Doch von Niedrigzin­sen profitiert auch er.

schen Michels. Im Gegenzug hält sie auch den Euro im Ausland billig und kurbelt so die Konjunktur vom Exportmeis­ter Deutschlan­d an, was wiederum Schäubles Steuerquel­len sprudeln lässt.

Und auch die hiesigen Kommunen können ein Lied von der schwarzen Null singen. Denn vielen von ihnen fehlt das Geld, das Schäuble spart, an allen Ecken und Enden. Ihre Schulden stiegen 2015 um 3,4 Prozent. Besonders hoch mussten sich die Gemeinden in Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen neu verschulde­n. Ihre Verbindlic­hkeiten stiegen um 18,9 beziehungs­weise 5,9 Prozent. Schäuble kann offenbar vor allem eins: Auf dem Rücken anderer sparen.

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Foto: 123rf/aberration
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Foto: 123rf/aberration

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