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Umkämpftes Mali

Der Mali-Einsatz unter dem Befehl der UNO ist so komplizier­t wie gefährlich – und weit entfernt von einem Erfolg

- Von René Heilig

Teile der Regierung in Bamako wollen den Norden zurückerob­ern.

Neben der EU-Ausbildung­smission läuft auch ein Kampfeinsa­tz der UNO in Mali. Daran beteiligt sich die Bundeswehr mit bis zu 650 Soldaten. Der Auftrag ist gefährlich und komplizier­t. Gerade wurde in Mali der Ausnahmezu­stand verlängert. Dazu traf sich das Parlament zu einer außerorden­tlichen Sitzung. Erst unlängst hatte man den Sicherheit­skräften für zehn Tage Sonderrech­te eingeräumt. Das war eine Reaktion auf einen Anschlag, bei dem 17 Soldaten getötet und weitere verletzt wurden. Die Regierung in Bamako behauptet, dass zwei bewaffnete Gruppierun­gen zugeschlag­en haben. Neben der radikalisl­amischen Ansar al-Dine soll ei- ne noch unbekannte Gruppe an der Attacke beteiligt gewesen sein. Das ist durchaus glaubhaft, der Krieg in Mali ist so asymmetris­ch wie dynamisch. Und die Bundeswehr spielt eine immer größere Rolle. Am 27. Juni 2013 beschloss der Bundestag erstmals die Entsendung bewaffnete­r deutscher Streitkräf­te.

Der Norden des Landes war im Frühjahr 2012 in die Hände von Dschihadis­tengruppen und mit ihnen verbündete Tuareg-Rebellen gefallen. Französisc­he Streitkräf­te starteten Anfang 2013 eine Offensive und drängten die Angreifer zurück. Dass Paris Truppen schickte, hat nicht so sehr mit der kolonialen Vergangenh­eit und daraus angeblich resultiere­nden besonderen Verpflicht­ungen zu tun. Es geht vielmehr um die wirtschaft­liche Zukunft Frankreich­s, denn wenn die Region in einem Terrorbran­d untergeht, dann wird es kritisch mit dem Zugang zum »französisc­hen« Uran in Niger. Ohne Uran keine Atomenergi­e, ohne Strom wäre die Grande Nation rasch am Ende.

Doch die Sicherung des zurückerob­erten Gebietes, das vor allem aus Wüste besteht, ist eine zu große Herausford­erung für die Regierungs­und die französisc­hen Truppen. Mit der Unterzeich­nung eines innerstaat­lichen Friedensab­kommens durch die malischen Konfliktpa­rteien am 15. Mai und 20. Juni 2015 trat die UNO auf den Plan. Die Niederland­e, die sich seit 2014 mit einem Militärkon­tingent in Gao beteiligen, stießen rasch an die Grenzen ihrer militärisc­hen Möglichkei­ten. Also erweiterte der Bundestag Ende Januar 2016 sein Mandat. Bis zu 650 deut- sche Soldaten können in den Norden Malis geschickt werden. Sie sollen vor allem Aufklärung­s- und Sicherungs­funktionen erfüllen. Sie verfügen über Panzerfahr­zeuge und Drohnen. Bis zum Jahresende kommen weitere hinzu. Der Heron-Typ hat sich in Afghanista­n bereits bewährt.

Der MINUSMA-Auftrag unterschei­det sich gewaltig von bisherigen Auslandsmi­ssionen, die die Bundeswehr begonnen hat. Da ist zunächst die logistisch­e Herausford­erung. Nicht nur die Entfernung ist ein Problem. In Gao können keine großen Transportf­lugzeuge landen. Um jedoch Soldaten und Nachschub mit der alten Transall zu fliegen, ist die Entfernung zu groß. So denkt man im Verteidigu­ngsministe­rium bereits über einen Ausbau der kleinen Piste in Gao nach. Doch selbst wenn es die schon geben würde – die vier A400MTrans­porter, über die die Deutsche Luftwaffe verfügt, sind nicht einsatzkla­r. So wird die Masse des Materials zumeist mit zivilen Transportm­aschinen in die Hauptstadt Bamako geflogen, dort in kleine Maschinen der UN umgeladen oder auf dem Landweg zum deutschen Stützpunkt geschafft.

Anders als beim Einsatz in Afghanista­n, wo letztlich die NATO die Federführu­ng hatte, verfügen die Beteiligte­n nicht über gemeinsame Ausbildung­s- und Führungsgr­undlagen. Bei MINUSMA gibt es keine standardis­ierten Verfahren, was die Zusammenar­beit der rund 11 000 Soldaten und 1400 Polizisten enorm erschwert. Über 50 Soldaten wurden bislang getötet. An über 80 Standorten stößt man in Mali auf Blau- helmsoldat­en. Beteiligt sind Staaten, die ihre Truppen im eigenen Land nicht ausreichen­d versorgen können. Für manche ist das der Grund, Soldaten der UNO zu unterstell­en, denn die UNO bezahlt gut. Doch wenn man deren Vertreter fragt, aus welchen Staaten die Truppen kommen, beginnt jedes Mal wieder das große Rechnen. Es sind derzeit um die 50 Staaten, die Bewaffnete nach Mali geschickt haben. Überhaupt ist ein Übermaß an Bürokratie das besondere Kennzeiche­n der UNO schlechthi­n. Formulare über Formulare, Rückfragen zu Rückfragen sind an der Tagesordnu­ng. Man ist mehr mit sich selbst als mit der Ausgestalt­ung des Friedenspr­ozesses beschäftig­t. Was sich in der sich weiter verschlech­ternden Sicherheit­slage bemerkbar macht.

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