Verpatzter Auftritt bringt Erdogan auf
Verzicht auf Klagen wegen Beleidigung nur in Türkei
Berlin. Die Bundesregierung versucht die Einbestellung des deutschen Gesandten in Ankara als Bagatelle erscheinen zu lassen. Der Vorgang sei »zunächst einmal nichts Außergewöhnliches«, sagte Außenamtssprecher Martin Schäfer am Montag in Berlin. Hintergrund der Einbestellung ist jedoch offenbar kein alltäglicher Grund. Das Verbot der deutschen Behörden, den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei einer Großdemonstration seiner Anhänger am Sonntag in Köln am Wochenende per Video zuzuschalten, bringt Ankara auf. Die türkische Präsidentschaft kritisierte die Entscheidung als »unannehmbar« und als Verstoß gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit.
An der Kölner Pro-ErdoganKundgebung hatten am Sonntag rund 40 000 Menschen teilgenommen. In Berlin sagte Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag, die Bundesregierung begrüße den friedlichen Verlauf der Veranstaltungen und danke den Sicherheitsbehörden, dass es zu »keinen nennenswerten Zwischenfällen« gekommen sei. Die Kritik aus Ankara an Deutschland wollte Demmer nicht kommentieren. Angesichts der Drohungen aus der Türkei, den Flüchtlingsdeal mit der EU platzen zu lassen, sagte sie, die Bundesregierung »geht nach wie vor davon aus, dass die Türkei die Vereinbarung weiter erfüllt«.
Einige wenige versöhnliche Gesten aus Ankara könnten zu solchen Einschätzungen ermutigen. So hatte Erdogan am Freitag mitteilen lassen, dass er Anzeigen wegen Beleidigung des Präsidenten fallen lassen wolle. Wie in Medienberichten zu lesen war, gelte dies allerdings nicht für die Anzeige wegen des Schmähgedichts des deutschen Comedian Jan Böhmermann. Die Ankündigung beziehe sich nur auf die Türkei. »In Deutschland ändert sich vorerst nichts«, gab die Agentur dpa den Medienanwalt Ralf Höcker wieder, der Erdogan vertritt. Der türkische Präsident ließ in der Türkei Klagen gegen Vorsitzende der Opposition fallen, jedoch auch hier nicht ausnahmslos. Weiter verfolgt werden die Klagen gegen Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP, diese würden nicht zurückgezogen, sagte Erdogans Anwalt Hüseyin Aydin der Zeitung »Hürriyet« vom Montag. In einem ersten Schritt habe man auf Beschwerden gegen den Chef der Mitte-Links Partei CHP, Kemal Kilicdaroglu, und den Chef der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, verzichtet, sagte Aydin. angekündigt.