Starker Staat, starke Worte
Bayerns Innenminister rüstet zum Kampf gegen den Terror, die CSU für eine weitere Profilierung gegen die CDU
Die CSU zielt weiter auf den Flüchtlingskurs der Bundeskanzlerin und Bayerns Innenminister fordert neue Gesetze gegen Terrorismus. Verfassungsschutzberichte bieten immer auch eine Bühne für Profilierung in Sachen Innere Sicherheit – und in Bayern, wo dieser Begriff sehr groß geschrieben wird, gleich halbjährlich: Als einziges Bundesland präsentiert der Freistaat im Sommer einen Halbjahresbericht des Verfassungsschutzes. Nun, nach den mutmaßlich islamistisch inspirierten Anschlägen von Würzburg und Ansbach, erfuhr der Auftritt des Innenministers Joachim Herrmann (CSU) anlässlich dieser Zwischenbilanz besondere Aufmerksamkeit.
Laut Ministerium setzt Bayern jetzt »insbesondere auf einen starken Staat mit mehr Personal und besserer Ausstattung für Polizei und Verfassungsschutz sowie auf eine Verschärfung von Gesetzen«. Polizei und Sicherheitsbehörden würden weiter ausgebaut, um sowohl gegen »einsame Wölfe«, als auch gegen koordiniert vorgehende »Terrorzellen« vorgehen zu können. Obwohl sich die »Ausreisedynamik« in die Kriegs- und Krisengebiete in Nahost »etwas verlangsamt« habe, bleibe die Lage doch »weiterhin sehr ernst«, so Herrmann.
Als Beispiel nannte der Minister neue Gesetze in Bayern. »Erstmals in Deutschland« ermögliche ein Landesgesetz vom Juni 2016 auch dem nicht polizeilich arbeitenden Verfassungsschutz einen Zugriff auf sogenannte Telekommunikationsverbindungsdaten. Zudem erlaube das Gesetz in Bayern die umstrittene »Quellen-TKÜ«: Zum Ausforschen verschlüsselter Kommunikation wird dabei Spähsoftware auf dem überwachten Gerät installiert, die den Datenaustausch vor seiner Verschlüsselung mitschneiden kann. In diesem Sinn, so Herrmann, brauche man auch auf Bundesebene »eine neue Rechtsgrundlage«.
Herrmann nannte eine »gezielte Instrumentalisierung und Radikalisierung Minderjähriger« besonders beunruhigend; doch präventive Maßnahmen kommen in Bayern offenbar nicht gut voran. Schon im vergangenen Jahr wurde ein »Bayerisches Präventions- und Deradikali- sierungsnetzwerk« beschlossen, an dem das Innen-, Sozial-, Justiz- und Kultusministerium beteiligt sein sollen; eigentlich sollte bis Januar 2016 ein zivilgesellschaftlicher Träger gefunden werden – bisher hat sich jedoch offenbar nur wenig bewegt. Es gelte, in diesem Rahmen »gezielt das direkte Umfeld von Gefährdern zu sensibilisieren und dieses in kommunale Präventionsnetzwerke einzubinden«, erklärt zwar anspruchsvoll das Innenministerium. Doch erfahrene Akteure wie etwa der Verein Violence Prevention Network erhalten in Bayern Förderung für zwei, ab September drei Stellen, wie Vereinssprecher Paul Merker gegenüber »nd« sagt. In Berlin unterhalte man dagegen fast ein Dutzend unterschiedlicher Projekte mit jeweils bis zu sieben Mitarbeitern.
Hauptsächlich zielen die Vorstöße aus Bayern wiederum auf die Flüchtlingspolitik. Für zielführend hält Herrmann etwa unangemeldete Polizeikontrollen in Flüchtlingsunterkünften. Andere Bundesländer müssten Bayerns Vorbild folgen und die Schleierfahndung ausweiten. Die Bundeswehr könne nicht nur »zur Abwehr terroristischer Gefahren« im Inland eingesetzt werden, sondern auch zur »Grenzsicherung«, zu deren Ausbau Bayern weiterhin auch seine Landespolizei anbietet. »Ausländische Straftäter« müssten zudem »schneller ihr Aufenthaltsrecht verlieren und – auch in Krisengebiete – abgeschoben werden«.
Insofern ist Herrmanns Münchner Auftritt auch als Unterfütterung einer neuen flüchtlingspolitischen Attacke der CSU auf die CDU und Kanzlerin Angela Merkel zu verstehen. CSU-Chef Horst Seehofer führte jüngst – wenn auch mit einem Hinterausgang von Scheunentorformat – seine Drohung eines getrennten Antretens von CSU und CDU bei der Bundestagswahl 2017 wieder ins Feld und betonte am Wochenende, er könne sich das »Wir schaffen das« der Kanzlerin »beim besten Willen nicht zueigen machen«. Am Montag legte Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der Union im Bundestag, nach. »Viele Bürger empfinden diesen Satz als anmaßend und ignorant, weil er den Eindruck vermittelt, dass man die Augen verschließt vor den vielschichtigen Problemen und Herausforderungen, die wir im Zusammenhang der Flüchtlingskrise in unserem Land haben und den großen Aufgaben, die uns noch bevorstehen«, sagte Mayer laut dpa.
Der Chef der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag, Markus Rinderspacher, fordert von Seehofer postwendend eine schnelle Entscheidung zu dessen Plänen für die Bundestagswahl 2017. »Seehofer muss klarstellen, ob er nächstes Jahr als CSUSpitzenkandidat gegen Angela Merkel antreten und damit zurück nach Berlin wechseln will«, sagte Rinderspacher am Montag in München. Ansonsten drohten eine »groß angelegte Wählertäuschung und durchschaubare Manöver« des CSU-Parteivorsitzenden.
Herrmann nennt eine »gezielte Instrumentalisierung und Radikalisierung Minderjähriger« beunruhigend; doch präventive Maßnahmen kommen in Bayern nicht gut voran.