Meine Hacker, deine Hacker
USA und Russland beschuldigen sich gegenseitig elektronischer Attacken
Im US-Wahlkampf spielt Russland eine ungewohnt große Rolle, Einmischungsvorwürfe sind aber durchaus gegenseitig. Keine Geringere als die berühmt-berüchtigte Agentur für Nationale Sicherheit (NSA) ermittelt zu den Cyberattacken gegen den Wahlkampfstab der Demokraten in den USA, und erste Ergebnisse verheißen nichts Gutes. Jedenfalls nicht für Russland und dessen Geheimdienste, wo USMedien die Schuldigen längst gefunden glauben. Denn Moskau wolle verhindern, dass Hillary Clinton die Präsidentenwahlen gewinnt.
Als russlandskeptische Hardlinerin war Clinton in Moskau schon Kreml und Außenamt unangenehm aufgefallen als sie noch Chefin das State Department war. Ihr Rivale Donald Trump hingegen hatte schon früh Sympathien für Präsident Wladimir Putin durchblicken lassen und will inzwischen nicht einmal die Anerkennung der Krim als Teil Russ- lands ausschließen, sollte er im November gewählt werden.
Moskau hält das für durchaus möglich. Auf Washingtons Drohung mit neuen Sanktionen und Angriffen auf Server von Russlands Inlandsgeheimdienst FSB und den militärischen Abschirmdienst GRU reagierten Politiker und Beobachter daher mit einer Mischung aus Gelassenheit und Selbstbewusstsein.
Die »Rossiskaja Gaseta«, Amtsblatt der russischen Regierung, keilte mit Vorwürfen zurück: US-Medien hätten – wieder einmal – ungeprüfte Informationen verbreitet. Die Duma ging zum Gegenangriff über. Auch Russland, so Dmitri Gorowzew, Vizechef des Ausschusses für Sicherheit und Korruptionsbekämpfung, sei immer wieder Ziel von Hackerangriffen, deren Spur führe häufig in die USA.
Zufall oder nicht: Fast zeitgleich gab der gewöhnlich außerordentlich öffentlichkeitsscheue FSB bekannt, bisher seien Attacken auf die Netze von 20 »Staatsorganen« und »Objekten der Infrastruktur von kritischer Bedeutung« verübt worden. Cyberkriminelle aus dem Ausland hätten versucht, Schad- und Spähprogramme zu installieren, um sich Zugang zu sensiblen Informationen zu verschaffen. Die Angreifer seien höchst professionell vorgegangen.
Die Zwischenfälle bestätigen aus Sicht von Experten einmal mehr die Notwendigkeit, bei Hard- wie Software auf US-Importe zu verzichten und russische Analoge zu entwickeln. Es gehe längst nicht mehr nur um Informations-, sondern um nationale Sicherheit.
Juristen wollen die Materie möglichst schnell durch internationales Recht regeln. Weil einschlägige Normen derzeit fehlen, sei es auch sehr problematisch, überführte Hacker zur Verantwortung zu ziehen, warnt Sergei Lewtschuk, Vize-Dekan der juristischen Fakultät der elitären Russischen Staatlichen Humanitären Universität in der »Nesawissimaja Gaseta«. Das Internet werde mehr und mehr zum Schlachtfeld, auf dem auch die Weltmächte zunehmend ihre Konflikte austragen. Der dritte Welt- krieg werde virtuell geführt und habe bereits begonnen.
Der US-Wahlkampf werde in Russland entschieden, freute sich die sonst durchaus kritische Tageszeitung »Kommersant«. Fjodor Lukjanow Chef des einflussreichen Rates für Außen- und Sicherheitspolitik, sieht das differenzierter. Zwar würden Demokraten wie Republikaner in den USA vor Wahlen dem jeweils anderen die Schuld dafür geben, dass Russland keine blühende Demokratie sondern ein »korrupter aggressiver Staat« geworden sei. Dennoch habe es das Verhältnis zu Russland nie in die Top-Themen des Wahlkampfs geschafft. Nicht einmal als Russlands Krieg mit dem proamerikanischen Georgien 2008 mit der heißen Phase von Barack Obamas Wahlkampf zusammenfiel. Gegner würden ihm jetzt aber vorwerfen, durch außenpolitische Fehlentscheidungen Moskaus Wiederaufstieg zur Weltmacht begünstigt zu haben. Das Recht auf Einmischung in innere US-Angelegenheiten und deren Wahlkampf inclusive.