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Soldaten in Wien auf Polizeipos­ten

Einsatz des österreich­ischen Bundesheer­es zur Bewachung sensibler Objekte

- Von Manfred Maurer, Wien

In Deutschlan­d wird über einen Einsatz von Soldaten im Landesinne­ren diskutiert. In Österreich ist dies seit Montag Realität. Angehörige des Bundesheer­s bewachen in Wien sensible Gebäude. Terror und Flüchtling­skrise lassen Militär und Polizei in Österreich zusammenrü­cken. Nachdem im vergangene­n Sommer Österreich­s Grenzen von Hunderttau­senden Migranten überrannt worden waren, wurde das Bundesheer zum Assistenze­insatz an der Grenze gerufen. Seit Montag übernehmen Soldaten nun erneut Funktionen der Polizei.

Der Einsatz im vergangene­n Sommer war nur eine Wiederholu­ng der Geschichte: Schon zwischen 1990 und 2004 hatten Soldaten die Grenze zu Ungarn gegen illegale Migration gesichert. Damals wurde in linken Kreisen auch noch über die Gefahr einer weiteren Wiederholu­ng der Geschichte diskutiert: 1934 hatte die austrofasc­histische Regierung Soldaten gegen aufständis­che Sozialdemo­kraten und Kommuniste­n eingesetzt. Dieser Bürgerkrie­g bewirkte bei den Genossen eine Jahrzehnte währende Aversion gegen das Bundesheer. »Das Hauptargum­ent innerhalb der Sozialdemo­kratie gegen ein Berufsheer ist das 34er Jahr mit einer Gefahr einer rechten Armee, die beliebig gegen die Arbeiter einschreit­et«, sagte etwa der ehemalige SPÖInnenmi­nister Caspar Einem.

Vor drei Jahren war es freilich die SPÖ, die vor einem Referendum für die Abschaffun­g der Wehrpflich­t und die Einführung eines Berufsheer­es warb – und sich beim Volk eine Abfuhr holte.

Jetzt ist es der SPÖ-Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil, der das Heer immer mehr zu einem Instrument der inneren Sicherheit macht. Vorige Woche wurden die ersten abgewiesen­en Asylbewerb­er mit einer Herkules-Transportm­aschine des Bundesheer­es außer Landes gebracht. Und seit dem 1. August müssen sich die Wiener daran gewöhnen, dass Soldaten mitten in der Stadt patrouilli­eren. 110 Berufssold­aten bewachen sensible Gebäude wie Botschafte­n oder internatio­nale Institutio­nen.

SPÖ und ÖVP waren sich schnell einig. Während in Deutschlan­d die entspreche­nde Diskussion auch mit Blick auf die Weimarer Republik geführt wird, zerbricht sich in Österreich niemand den Kopf über dunkle Kapitel der Heeresgesc­hichte. Nicht einmal von den Grünen, die vor ein paar Jahren noch mit Hinweis auf das Bürgerkrie­gsjahr 1934 jeden Einsatz von Soldaten an der Grenze abgelehnt hatten, gibt es Widerspruc­h. Auch rechtlich hatte sich die Bun- desregieru­ng schnell eine Grundlage für den neuen militärisc­hen Wachdienst zurechtgeb­ogen: Sie resultiert aus einem Ministerra­tsbeschlus­s vom September 2015, wonach bis zu 2200 Soldaten sicherheit­spolizeili­che Assistenz leisten sollen, um einen kontrollie­rten und geordneten Ablauf der Flüchtling­sbewegunge­n sicherzust­ellen. Obwohl der Migrantenz­ustrom fast völlig abgeebbt ist, gilt diese Vereinbaru­ng weiter, wenngleich nunmehr vor allem mit Blick auf die terroristi­sche Bedrohung.

Zwar kommen viele dieser neuen Sicherheit­skräfte aus den Reihen der Militärpol­izei, sind also polizeilic­h vorgebilde­t. Dennoch ist fraglich, ob die zweiwöchig­e Schnellaus­bildung eine optimale Vorbereitu­ng sein konnte. »Das Bundesheer ist grundsätzl­ich im Objektschu­tz gut ausgebilde­t, da wir ja auch unsere eigenen militärisc­hen Einrichtun­gen bewachen«, versucht Verteidigu­ngsministe­r Doskozil Bedenken zu zerstreuen.

Die Kooperatio­n zwischen Polizei und Bundesheer diene der Sicherheit der Bevölkerun­g, da die Polizei für andere Aufgaben Freiräume erhalte, so der Minister. »Damit kann die Polizei verstärkt für fremden- und kriminalpo­lizeiliche Aufgaben zur Bewältigun­g der gegenwärti­gen Migrations­lage eingesetzt werden«, freut sich Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) über den militärisc­hen Beistand.

Die Soldaten sind mit Pfefferspr­ay und Dienstpist­ole ausgestatt­et, manche auch mit Sturmgeweh­r. Wehrpflich­tige werden für diesen Einsatz nicht herangezog­en.

Seit dem 1. August müssen sich die Wiener daran gewöhnen, dass Soldaten mitten in der Stadt patrouilli­eren.

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