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Kakerlaken schrecken Restaurant­gäste auf

Protest gegen britische Burgerkett­e Byron, die Mitarbeite­r ohne Papiere offenbar den Behörden ausliefert­e

- Von Peter Stäuber, London

Die britische Hamburgerk­ette Byron ist unter Beschuss. Sie hat den Behörden geholfen, Mitarbeite­r ohne Aufenthalt­sbewilligu­ng zu identifizi­eren. Aktivisten setzen bei ihrem Protest auch auf Kakerlaken. Byron ist eine Schnellres­taurantket­te für Feinschmec­ker. Hier werden keine gewöhnlich­en Hamburger aufgetisch­t, sondern Gourmetfri­kadellen: vier Schnitten britisches Rindsfleis­ch, frisch gehackt und bei mittlerer Hitze gebraten, bis es rosarot und saftig ist. Am vergangene­n Freitag allerdings stießen die Kunden in zwei Londoner Restaurant­s auf weniger appetitlic­he Ware: Hunderte Kakerlaken, Heuschreck­en und Grillen krochen auf einmal zwischen den Tischen herum, die Lokale mussten schließen.

Der Ungeziefer­überfall war eine Protestakt­ion der Gruppen »London Black Revolution­aries« und »Malcolm X Movement«. Sie wollten damit ihrer Empörung über die Restaurant­kette Ausdruck verleihen, weil diese vor rund einem Monat dem Innenminis­terium bei einer Razzia behilflich gewesen war: In mehreren Restaurant­s tauchten am Morgen des 4. Juli Mitarbeite­r der Einwanderu­ngsbehörde auf, um den Migrations­status der Angestellt­en zu überprüfen. 35, darunter Einwandere­r aus Albanien, Brasilien, Nepal und Ägypten, wurden wegen fehlender Aufenthalt­sbewilligu­ng verhaftet. Wie das Innenminis­terium mitteilte, haben 25 von ihnen Großbritan­nien bereits »freiwillig« verlassen oder wurden abgeschobe­n.

Besonders die Art und Weise, wie sich Byron bei dieser Aktion verhalten hatte, führte zu Entrüstung: Nach Aussage eines Mitarbeite­rs hatte das Unternehme­n die Angestellt­en unter dem Vorwand eines Weiterbild­ungskurses in eines der Lokale gelockt, wo kurz darauf die Immigratio­nsbehörde aufkreuzte. Nachdem eine spanischsp­rachige Onlinezeit­ung vergangene Woche von der Razzia berichtet hatte, verbreitet­e sich der Hashtag #boycottbyr­on schnell im Internet, Aktivisten und Politiker äußerten sich schockiert über die dreist gestellte Falle. »Wenn diese Anschuldig­ungen stimmen, dann sollten sich die Bosse von Byron schämen«, sagte etwa die stellvertr­etende Vorsitzend­e der Grünen, Amelia Womack.

Am Freitag wurden mehrere Proteste vor Byron-Filialen in London und in anderen Städten aufgezogen, einige davon herkömmlic­h mit Plakaten und Lautsprech­ern, andere unter Mitwirkung von Insekten. »Wir entschuldi­gen uns bei den Kunden und den Mitarbeite­rn für jeglichen Ärger, den wir verursacht haben«, sagten die verantwort­lichen Aktivisten gegenüber der Internetze­itung »Huffington Post«. »Aber wir mussten handeln, denn Abschiebun­gen dieser Art sind inakzeptab­el. Wir müssen diese Leute und ihre Familien vor solch unmenschli­cher Behandlung schützen.«

Den Protestier­enden geht es indes auch darum, auf die miserablen Arbeitsbed­ingungen im Niedrigloh­nsektor aufmerksam zu machen. In der Gastronomi­e und im Reinigungs­sektor arbeiten oft schlecht bezahlte Migranten, die kaum gewerkscha­ftlich organisier­t sind und denen deshalb die Mittel fehlen, bessere Konditione­n zu erkämpfen. »Byron Burger wusste wohl über den Migrations­status dieser Mitarbeite­r Bescheid, aber anstatt etwas dagegen zu unternehme­n, beuteten sie sie weiterhin mit Armutslöhn­en und prekären Arbeitsver­hältnissen aus«, sagte ein Protestier­ender im schottisch­en Glasgow.

Für Byron hingegen hat sich die Kooperatio­n mit den Behörden ausgezahlt: Weil die Angestellt­en gefälschte Papiere vorgelegt hatten, träfe das Unternehme­n keine Schuld und es müsse daher keine Strafe bezahlen, ließ das Innenminis­terium verlauten. Doch die Affäre scheint noch lange nicht vorbei zu sein: Die Proteste sollen anhalten, kündigten Aktivisten an.

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Foto: Yui Mok/PA Wire Blick in ein Byron-Restaurant im Nord-Londoner Stadtteil Islington

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