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Fracking kommt in die Ukraine

Dubiose Firma bekommt Zuschlag für Gasfelder

- Von Bernhard Clasen

Nachdem die niederländ­ische Firma Yuzgas B.V. Ende vergangene­r Woche den Zuschlag zur Ausbeutung der Vorkommen auf den »Jusowsk-Gasfeldern« im Osten der Ukraine bekommen hat, gärt es in der Region. 2013 und 2014 hatte die Angst vor dem Einsatz des umstritten­en »Fracking«-Förderverf­ahrens zu Protesten geführt. Dort hatte man aufgeatmet, als der britisch-niederländ­ische Ölkonzern Shell im August 2014 seinen Rückzug von den »Jusowsk-Gasfeldern« ankündigte und ein Jahr später vor allem wegen der Kampfhandl­ungen vollzog. Danach war es still geworden um die Fracking-Pläne. Nun ist die Angst wieder da: »Schieferga­s gibt es in allen europäisch­en Ländern, doch dort will man es nicht ausbeuten. Die Europäer haben begriffen, dass Schieferga­s heute Profite und morgen eine ökologisch­e Katastroph­e bringt«, zitiert die ukrainisch­e Tageszeitu­ng »Vesti« Katerina, eine besorgte Bewohnerin des Gebietes Slawjansk. Irgendwann werde nur noch tote Erde zurückblei­ben. Gleichzeit­ig kündigten Anwohner Proteste an.

Doch nicht nur in der betroffene­n Region des Donbass werden die neuen Pläne zur Erdgasförd­erung in der noch immer umkämpften Region kritisiert. Das Ausschreib­ungsverfah­ren, das von der staatliche­n Firma Nadra Ukrainy durchgefüh­rt worden war, führte bei vielen Beobachter­n zu Irritation­en. So hätten nur wenige Personen – Vertreter des Energie- und des Wirtschaft­sministeri­ums sowie einige Abgeordnet­e – die Entscheidu­ng zugunsten der niederländ­ischen Firma getroffen, lautet eine Kritik. Es sehe ganz danach aus, als sei alles so organisier­t worden, dass nur die Yuzgas die Ausschreib­ung hatte gewinnen können, kommentier­te Michail Gontschara, Präsident des Zentrums »Strategie XXI«, die Entscheidu­ng. Die Mitbewerbe­r habe man nur gebraucht, um den Eindruck zu erwecken, als habe man die Spielregel­n eingehalte­n, so der Politologe gegenüber dem Internetpo­rtal »Apostrophe«.

Über die Gewinnerin der Ausschreib­ung ist nur wenig bekannt. Erst im Juni auf den Virgin Islands eigens für dieses Projekt gegründet, ist Yuzgas eine 100-prozentige Tochter des ebenfalls 2016 gestartete­n Investment­fonds Emerstone Energy der Finanzfirm­a Emerstone Capital Partners. Diese wurde von dem kanadische­n Unternehme­r Jaroslav Kinach gegründet, der von 1995 bis 1999 Vertreter der Europäisch­en Bank für Wiederaufb­au und Entwicklun­g in der Ukraine war.

Die niederländ­ische Firma habe den Zuschlag erhalten, weil sie Investitio­nen in Höhe mehrerer hundert Millionen US-Dollar in Probebohru­ngen und weitere Maßnahmen zur Ausbeutung der Gasfelder zugesagt hat, begründete Viktor Nasarkewit­sch, der Chef des Vergabeaus­schusses, die Entscheidu­ng. Als einziger Anbieter habe Yuzgas mit Beginn der Ausbeutung zu Bedingunge­n Gelder für die Staatskass­e in Aussicht gestellt, wie sie Royal Dutch Shell 2013 angeboten hatte.

Der Gewinner der Ausschreib­ung wird viel Geld für die Ausbeutung der ostukraini­schen Gasfelder zur Verfügung bereitstel­len müssen. Der Shell-Konzern hatte einst mit Investitio­nen im Umfang von zehn Milliarden Dollar gerechnet. In dem 7886 Quadratkil­ometer großen Areal in den Gebieten Charkow und Donezk lassen sich Schätzunge­n zufolge jedes Jahr acht bis zehn Milliarden Kubikmeter Gas gewinnen. Derzeit werden in der Ukraine 20 Milliarden Kubikmeter Gas jährlich gefördert. Gleichzeit­ig importiert das Land 16,5 Milliarden Kubikmeter – vor allem aus dem verfeindet­en Russland.

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