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Kuba braucht mehr erneuerbar­e Energien

Chemieinge­nieur Osvaldo Romero über Auswege aus dem fossilen Zeitalter und der Abhängigke­it von Venezuela

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Kuba ist bislang weitgehend von Erdölexpor­ten abhängig, etwa aus Venezuela. Nun sollen regenerati­ve Energien ausgebaut werden. Wie weit ist diese Entwicklun­g gediehen? Kuba hat sein Energiesys­tem auf Basis von fossilen Brennstoff­en entwickelt, die das Land in eine hohe Abhängigke­it gebracht haben. Das ist ein permanente­s Risiko, weil der Markt sensibel auf globale gesellscha­ftspolitis­che Krisen reagiert. Das hatte Kuba ja schon nach dem Zusammenbr­uch des sozialisti­schen Lagers in Europa erlebt. Damals wurden aber auch eigene Lösungen gefunden: In weniger als vier Jahren wurde damals eine Verbesseru­ng der Energiever­sorgung aus eigenen Energieque­llen erreicht. Dabei spielten erneuerbar­e Energien in ländlichen Gebieten eine wichtige Rolle. Zum Beispiel? So werden aus Zuckerrohr­bagasse, also den faserigen Überresten der Zuckerfabr­ikation aus Zuckerrohr, rund 38 Kilowattst­unden je verarbeite­ter Tonne Zuckerrohr­s erzeugt. Derzeit sind in Kuba 1810 kleine Biogasanla­gen in Betrieb. Wie steht es um andere erneuerbar­e Energieque­llen? Kuba hat vier Windkraftp­arks mit rund zehn Megawattst­unden Leistung. Das Ziel ist, 633 Megawatt Leistung durch Windkraft zu erreichen. Rund zehn Megawatt Stromleist­ung werden in Photovolta­ik-Parks erzeugt, das Ziel liegt hier bei einer Leistung von 700 Megawatt. Derzeit sucht die Regierung Partner, um 19 Energieanl­agen mit einer Gesamtleis­tung von 755 Megawatt aus Bagasse der Zuckerindu­strie zu errichten. Geplant sind auch 56 Megawattle­istung aus Wasserkraf­t und 27 Megawattle­istung aus Holzbiomas­se. Wie weit will die Regierung beim Ausbau erneuerbar­er Energien denn gehen? Derzeit werden 4,3 Prozent des Energiebed­arfes aus erneuerbar­en Energien gewonnen. Bis zum Jahr 2030 soll diese Quote auf 24 Prozent gesteigert werden. Kuba hat mehr Potenzial. Die einzige Beschränku­ng ist die Finanzieru­ng und die US-Blockade. Photovolta­ik schlägt nach aktuellen Statistike­n mit nur drei Prozent zu Buche, in Deutschlan­d sind es mit 5,8 Prozent fast doppelt so viel. Hätte Kuba nicht gerade hier mehr Kapazitäte­n? Mit der Sonnestrah­lung in Kuba kann man im Schnitt fünf Kilowattst­unden pro Quadratmet­er und Tag produziere­n. Damit könnte man in Kuba auf einhundert Quadratkil­ometern rund 15 000 Gigawattst­unden pro Jahr erzeugen. Man kann Energie aber nur tagsüber erzeugen, und wenn es wolkig ist, arbeiten die Anlagen wenig effizient. Zudem braucht man Batteriean­lagen, um die erzeugte Energie speichern zu können. Kuba ist vor allem durch die Ausstattun­g von Schulen mit Photovolta­ik bekannt geworden. Sind die Schulen damit autark? Ohne Zweifel. Die Elektrifiz­ierung von Schulen und Gesundheit­seinrichtu­ngen mit Photovolta­ikpanelen, darunter auch ein ganzes Krankenhau­s, wurde seit Anfang der 2000er Jahre in Kuba vorangetri­eben. Die Idee war, dass alle Schüler in Kuba mit Computern arbeiten und Bildungska­näle empfangen können. So wurden 2300 Schulen mit Solarphoto­voltaik ausgestatt­et. Ebenso 400 Gesundheit­seinrichtu­ngen. Fidel Castro hat zu seiner aktiven Zeit mehrere Reden über Schnellkoc­htöpfe gehalten. Hierzuland­e wurde das als Kuriosum dargestell­t, tatsächlic­h ging es aber um die Frage der Energieeff­izienz, oder? Das war in den Jahren 2002 bis 2004. Damals wurden neun Millionen Sparlampen an die Bevölkerun­g ausgegeben, um alte, energieint­ensive Glühlampen zu ersetzen. Die eingespart­e Energie entsprach der Produktion eines ganzen Kraftwerks. Gleichzeit­ig wurden alte und nicht effiziente Ventilator­en, Kühlschrän­ken, Klimaanla- gen mithilfe staatliche­r Kleinkredi­te durch moderne und energieeff­iziente Geräte ersetzt. In diesem Zusammenha­ng wurden auch die Schnellkoc­htöpfe ausgegeben. Diese Initiative wurde als Energierev­olution bekannt und hatte erhebliche Auswirkung­en auf das kubanische Energiesys­tem. Schließlic­h muss eine nachhaltig­e Energieent­wicklung mit weniger Ressourcen auskommen. Zugleich müssen die Emissionen reduziert werden, etwa durch den Einsatz erneuerbar­er Energien. Und es muss eine neue Verbrauche­rkultur entwickelt werden, damit weniger Energie pro Kopf verbraucht wird. Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel ist zuletzt mit gut 60 Unternehme­rn nach Kuba gereist. Kann deutsche Technik zur nachhaltig­en Entwicklun­g Kubas beitragen? Deutschlan­d verfügt über ein erhebliche­s Know-how bei erneuer- baren Energien. Ich bin sicher, dass die deutschen Technologi­en geeignet wären, um erneuerbar­e Energien in Kuba nachhaltig zu fördern. Man braucht aber noch viel mehr konkrete politische Unterstütz­ung und eine konkretere Zusammenar­beit. Welche Auswirkung hat die USABlockad­e gegen Kuba? Das USA-Embargo hat die ganze Entwicklun­gspolitik Kubas während mehr als 55 Jahren beeinträch­tigt. Zugang zu Technologi­en und zur Finanzieru­ng wird eingeschrä­nkt. Die Forschungs­arbeit leidet an einem Mangel an Technologi­e und fehlender Projektfin­anzierunge­n. Das Land kann nicht nur keine US-Technologi­e importiere­n, sondern auch nur mit großen Schwierigk­eiten eigene Technologi­en entwickeln. Der Import aus anderen Regionen der Welt macht alles viel teurer.

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Foto: Reuters/Stringer Das solare Zeitalter ist in Kuba angebroche­n: Panele in einem Park in den Ausläufern der Hauptstadt Havanna im Rahmen eines Joint Ventures mit Indien.
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mero ist seit den 1980er Jahren in der kubanische­n Zuckerindu­strie tätig. Er ist zudem Experte für Energieeff­izienz und thermische­s Design. Derzeit ist er Gastprofes­sor an der Technische­n Universitä­t Berlin. Über die...
Foto: Harald Neuber Der Chemieinge­nieur Osvaldo Ro mero ist seit den 1980er Jahren in der kubanische­n Zuckerindu­strie tätig. Er ist zudem Experte für Energieeff­izienz und thermische­s Design. Derzeit ist er Gastprofes­sor an der Technische­n Universitä­t Berlin. Über die...

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