Baustelle Kita
Zu Besuch in einem Kinderladen, der erzählt, was fehlt.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) wirbt zu Beginn des KitaJahres mit Gebührenfreiheit, mehr Personal sowie Anreizen für die Ausbildung. Doch viele Probleme bleiben ungelöst. Als Carola Heldt den Kinderladen »Macht Nix« in Kreuzberg aufschließt, eine Tüte mit frischen Brötchen für das Frühstück in der Hand, hat sie heute ein Paar helfende Hände mehr zur Verfügung: Seit Beginn des neuen Kita-Jahres stehen der Erzieherin zwei Kolleginnen statt wie bisher eine zur Seite, um zwölf Dreijährige in Empfang zu nehmen.
Seit Montag soll laut Bildungsverwaltung eine Erzieherin für 5,5 unter Dreijährige zuständig sein statt sechs. Mit dem neuen Personalschlüssel hat der Zuwachs im Kinderladen jedoch nur indirekt zu tun – schon vorher konnte der freie Träger sein Geld flexibler einsetzen als die landeseigenen Kitas, zum Beispiel für eine bessere Personalausstattung. »Der neue Schlüssel hat aber Signalwirkung«, sagt Heldt. Von der Empfehlung der Bertelsmann Stiftung ist das aber noch weit entfernt: Im Juni empfahlen die Wissenschaftler einer Studie, dass eine Erzieherin für nur drei Kinder unter drei Jahren zuständig sein soll – die Hauptstadt mit ihrem Schlüssel von 5,8 Kindern pro Erzieher liege »weit hinter dem Bundesdurchschnitt«. Auch Heldt sagt, der »katastrophale Personalschlüssel« müsse »dringend weiter angehoben werden«.
Der »Macht Nix«-Kinderladen ist heute etwas leerer als sonst: Einige Kinder sind bereits mit ihren schulpflichtigen Geschwistern in den Sommerferien, viele größere Kinder, die vergangenes Jahr zurückgestellt wurden, werden nun eingeschult. Die Kleinsten können jedoch erst nach und nach eingewöhnt werden. Vor Kurzem hing der Kinderladen deshalb ein Gesuch auf – ziemlich ungewöhnlich für Kreuzberger Kitas: Plätze zu vergeben.
Thorsten Metter, Sprecher der Bildungsverwaltung, sagt, im Moment gebe es schätzungsweise 3700 freie Plätze. Trotzdem sei es sinnvoll, noch mehr Kapazitäten zu schaffen – weil die Stadt wachse, weil mehr Familien die Tagesbetreuung in Anspruch nehmen, weil sich Eltern die Kita aussuchen können sollen. »Ich würde nicht von einem Überangebot sprechen«, sagt Metter. »Aber im Vergleich zu anderen Städten wie München haben wir es geschafft, den Rechtsanspruch umzusetzen.« Um den Beruf der Erzieherin attraktiver zu machen, will der Senat das Schulgeld für private Fachschulen übernehmen. Auch will er den Erziehern zwei Stunden in der Woche gutschreiben, wenn sie Quereinsteiger in der Kita anleiten. »Das ist auch drin- gend nötig«, sagt Heldt. Gerade bildet sie einen jungen Mann im Kinderladen zum Erzieher aus – in Kombination mit Zeiten in der Schule. »Ich würde auch gerne wieder jemanden haben«, sagt Heldt. Wenn sie wisse, dass sie das nicht neben ihrer pädagogischen Arbeit machen müsse, könne sich der Kinderladen das auch leisten. Auch den Auszubildenden stehe eine ordentliche Anleitung zu, denn: »Gute Erzieher sind Mangelware.«
Auch die Kitaleitung soll entlastet werden: Ab einer Größe von 110 Kindern wird die Leitung von pädagogischen Aufgaben entbunden. Christiane Weisshoff, Erzieherin beim landeseigenen Betrieb Kindergärten City und für die Gewerkschaft GEW im Personalrat, sagt, dass dies nur die Mehrarbeit der neuen IT-Verfahren kompensiere. Der ganz normale Verwaltungswahnsinn bleibt. »Bei 60 Kindern brauchen wir eine Freistellung«, fordert die Gewerkschafterin.