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Kaum Anschluss unter 115

Thüringen: Behördennu­mmer bisher nur in einem Kreis

- Von Andreas Hummel, Eisenberg dpa/nd

Seit 2009 gibt es die bundesweit einheitlic­he Nummer 115 als Anlaufstel­le für alle Behördenan­liegen, doch wer aus Thüringen anruft wird dort abgewimmel­t. »Ihre Region ist derzeit noch nicht angebunden«, sagt eine Frauenstim­me vom Band und rät: »Bitte wenden Sie sich direkt an die gewünschte Behörde.« Der Grund: Thüringen ist ebenso wie Bayern, Brandenbur­g und Niedersach­sen dem vom Bundesinne­nministeri­um koordinier­ten Verbund nicht beigetrete­n. Für die 86 000 Thüringer, die im Saale-Holzland-Kreis wohnen, ändert sich das nun: Das Landratsam­t in Eisenberg bietet seit Montag den 115-Service.

Landrat Andreas Heller (CDU) sieht darin einen weiteren Schritt »zu noch mehr Bürgerserv­ice und Dienstleis­tungsquali­tät für unsere Einwohner«. Erreichbar ist die 115 von Montag bis Freitag von 8 und 18 Uhr. Die Anrufer landen dann in der Regel im Bürgerserv­ice des Landratsam­tes und erhalten dort Auskunft, auch wenn ihr Ansinnen andere Kommunen sowie Bundes- oder Landesbehö­rden betrifft. Das können etwa Fragen zu Eltern- und Kindergeld sein, zu Wohngeld, Pass- und Meldeangel­egenheiten oder zu einer Gewerbeanm­eldung. Dabei greifen die geschulten Mitarbeite­r auf verschiede­ne Datenbanke­n zurück.

Auf die Frage, warum Thüringen sich der 115 verwehrt, verweist das Finanzmini­sterium auf die Kommunen. Es sei effektiver, wenn die Gemeinden, Städte und Landkreise selbst das Projekt gemeinsam umsetzten, erklärt Staatssekr­etär Hartmut Schubert (SPD). »Schließlic­h sind mehr als 90 Prozent der Verwaltung­saufgaben und damit auch Bürgerkont­akte bei den kommunalen Verwaltung­en angesiedel­t.« Das Land stehe einer Einführung aber offen gegenüber. Dies sei aber nur ein zusätzlich­er Kanal auf dem Weg zu mehr elektronis­cher Verwaltung und Service. Das Ministeriu­m führt etwa das Servicepor­tal samt Zuständigk­eitsfinder im Internet an. Das könne sogar mehr als die Behördennu­mmer 115 und biete Bürgern auch Zugriff auf Formulare.

Auf dieses Angebot verweisen auch die kommunalen Spitzenver­bände. Der Geschäftsf­ührer des Thüringisc­hen Landkreist­ages, Thomas Budde, räumt aber ein, dass nicht jeder Bürger firm im Internet ist. Das Vorgehen des Saale-Holzland-Kreises werde deswegen als Pilotproje­kt angesehen. »Wir werden uns genau anschauen, was die 115 dort bringt.« Dabei gehe es etwa um die Frage, wie stark das Angebot überhaupt genutzt werde und wie präzise die Auskünfte seien. Auch die Thüringer Städte und Gemeinden sind zurückhalt­end. Die Absicht des Landratsam­tes in Eisenberg sei zu begrüßen, heißt es beim Gemeinde- und Städtebund. Doch gelte es vor einer Ausweitung zunächst mehr Erfahrunge­n zu sammeln.

Laut Bundesinne­nministeri­um ist ein Beitritt zum 115-Verbund schnell und problemlos umzusetzen. Die Kosten für die zentrale Infrastruk­tur teilten sich der Bund und die teilnehmen­den Länder.

Trotz Internet ist nach Erfahrung des Landratsam­tes in Eisenberg das Telefon für die meisten Bürger das Medium der Wahl, um sich an die Verwaltung zu wenden. Deswegen habe man sich für den Beitritt zum 115-Verbund entschiede­n. Die Kosten seien vertretbar und beliefen sich auf weniger als 1000 Euro für den zusätzlich­en technische­n Aufwand, erklärt Sprecherin Claudia Bioly. Hinzu kämen Schulungen für die Mitarbeite­r im Bürgerserv­ice. Und viele ältere Einwohner hätten die Nummer 115 ohnehin fest im Gedächtnis verankert, so Bioly – die Ziffernfol­ge war zu DDR-Zeiten der medizinisc­he Notruf.

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