nd.DerTag

Prügel ohne erkennbare­n Anlass

In Göttingen gab es zahlreiche Festnahmen, Verletzte und Verfahren nach einer Demonstrat­ion gegen Rechts

- Von Reimar Paul, Göttingen

Sechs große Traktoren, geschmückt mit Transparen­ten gegen Rechts, blockieren am Sonntagabe­nd zwei Kreuzungen im Ostviertel von Göttingen (Niedersach­sen). Drumherum stehen oder sitzen einige Dutzend Demonstran­ten auf der Straße. Sie wollen den Mitglieder­n des rechtsextr­emen »Freundeskr­eis Thüringen/Niedersach­sen« den Weg zu ihrer sogenannte­n »Mahnwache« an der Stadthalle versperren – auf dem unmittelba­r vor dem Gebäude liegenden Albaniplat­z hatten die Nazis 1933 Bücher verbrannt. Mit einem ruppigen Einsatz räumt die Polizei die Blocka- den und geleitet den kleinen Autokonvoi der Rechten ans Ziel. Der Kundgebung­sort ist durch Gitter und behelmte Beamte dicht gemacht worden. Auf der anderen Seite der Absperrung­en lärmen und trillern rund 600 Demonstran­ten lautstark gegen die Reden des »Freundeskr­eises« an. Einen Versuch, die Gitter zu übersteige­n, schlagen die Beamten mit Stöcken und Pfefferspr­ay zurück.

»Wir wollen keine Nazis in Göttingen«, ruft DGB-Regionsges­chäftsführ­er Lothar Hanisch ins Mikrofon. Bei dem »Freundeskr­eis«, der seit Ende vergangene­n Jahres die Region mit »Mahnwachen« und sogenannte­n »freiheitli­chen Bürgertref­fs« über- zieht, handele es sich um »knallharte Neonazis. »Unsere Aufgabe ist es, Gesicht zu zeigen« , so Hanisch. Der Göttinger Grünen-Bundestaga­bgeordnete und frühere Bundesumwe­ltminister Jürgen Trittin fordert: »Keinen Fußbreit für diese Bande.«

Plötzlich überspring­en einige Beamte der umstritten­en Beweissich­erungs- und Festnahmee­inheit (BFE) das Gitter. Sie werden zunächst zurückgedr­ängt, erhalten dann Verstärkun­g und prügeln ohne erkennbare­n Anlass auf Demonstran­ten ein. Es setzt Faustschlä­ge ins Gesicht und Tritte in die Genitalien. Die Grüne Jugend spricht von »zahlreiche­n Verletzten«.

Einige Leute werfen Obst auf die Polizisten. Auch fünf Beamte sollen leicht verletzt worden sein, meldet hinterher die Pressestel­le der Polizei. Es gibt rund ein Dutzend Festund sogenannte Ingewahrsa­mnahmen, etliche Verfahren wegen Widerstand­es, Landfriede­nsbruchs und Körperverl­etzung werden eingeleite­t. So einen provokativ­en Einsatz habe er in Göttingen schon lange nicht mehr erlebt, sagt der Ratsherr der Antifaschi­stischen Linken und Ex-Landtagsab­geordnete Patrick Humke. Die »Freundeskr­eis«-Redner feixen und hetzen. »Es wird Blut fließen«, kündigt einer an, bevor die Truppe unter Polizeigel­eit abzieht.

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