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Schnippeln am Grünen Band

Der Fall Salzwedel: Der BUND warnt, dass Teile des Biotopverb­undes verscherbe­lt werden

- Von Uwe Kraus, Salzwedel

Die Stadt Salzwedel in Sachsen-Anhalt ist pleite und wurde beauflagt, ihren Stadtwald zu verkaufen. Doch damit würde das Grüne Band zerstückel­t, fürchten Kritiker. Mitte Juni grünte im altmärkisc­hen Salzwedel noch alles. Experten vom Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) und vom Bundesamt für Naturschut­z (BfN) diskutiert­en dort, wie das 1393 Kilometer lange und 177 Quadratkil­ometer umfassende Grüne Band Deutschlan­ds als einziger länderüber­greifender Biotopverb­und weiter entwickelt werden kann. Neun Bundesländ­er sind am Rückzugsor­t und Wanderkorr­idor für über 1200 gefährdete Tier- und Pflanzenar­ten beteiligt, der sich entlang der früheren deutsch-deutschen Grenze erstreckt.

Salzwedel im Norden SachsenAnh­alts gilt dabei sozusagen als Leuchtturm. Der BUND hat in neun Pilotregio­nen am Grünen Band bereits 700 Hektar mit Hilfe von Spenden- und Fördermitt­eln durch Ankauf langfristi­g gesichert. Die größte dieser Ankaufregi­onen liegt mit rund 480 Hektar im Altmarkkre­is Salzwedel. Dieter Leupold, Projektlei­ter Grünes Band Sachsen-Anhalt: »Der BUND setzt sich seit 1989 federführe­nd für den Schutz des Grünen Bandes ein. Wir begrüßen es sehr, dass Sachsen-Anhalt nun dem guten Beispiel von Thüringen folgt und sich dafür ausgesproc­hen hat, das Grüne Band als Nationales Naturmonum­ent auszuweise­n.«

BUND-Artenschut­zreferent Dr. Kai Frobel kritisiert gleichzeit­ig: »Auf 186 Kilometern Länge ist das Grüne Band durch intensive Landnutzun­g überprägt und kostbare Biotope sind zerstört.« Das Schließen der Lücken in diesem einzigarti­gen Lebensraum­verbund sieht er als eine große Herausford­erung.

Doch gerade der Leuchtturm in der Altmark flackert jetzt. Denn wenige Tage nach der Tagung in Salzwedel ließen eine offizielle Ausschreib­ung sowie Verkaufsan­zeigen in der Jagdzeitsc­hrift »Unsere Jagd« und im Bundesanze­iger alle Alarmglock­en läuten: Die Hansestadt beabsichti­gt, rund 400 Hektar ihres Waldbesitz­es zu veräußern. Die Flächen mit zwischen 50 und 90 Jahre alten Schwarzerl­en, Eschen, Stieleiche­n, Rotbuchen, Pappeln und Ahornarten gehören zum europäisch­en FFH- und Vogelschut­zgebiet-Gebiet »Land- graben-Dumme-Niederung«. Der BUND-Vorsitzend­e Hubert Weiger sieht im Fall eines Verkaufs seitens der Stadt Salzwedel eine der größten Lücken im Grünen Band aufbrechen. »Elf Kilometer könnten jetzt in Privatbesi­tz übergehen und damit als Lebensraum und Wanderkorr­idor für die dort vorkommend­en gefährdete­n Tierarten wie Fischotter, Vogelazurj­ungfer und Braunkehlc­hen sowie für Pflanzenar­ten wie Wasserfede­r, Salzschwad­en und Stranddrei­zack verloren gehen.« Die Privatisie­rung kommunaler Flächen gegen Höchstgebo­t gefährde akut Erhalt und Entwicklun­g des Grünen Bands, für dessen Schutz sich die Umweltorga­nisation seit mehr als 25 Jahren einsetze.

Weiger sieht in dem Vorgehen der Stadt die Aussagen der schwarz-rotgrünen Koalitions­vereinbaru­ng der neuen sachsen-anhaltisch­en Landesregi­erung »konterkari­ert«. Die besondere Brisanz liege darin, dass neben den Flächen im eigentlich­en Grünen Band – dazu gehörten Areale zwischen Landesgren­ze und ehemaligem Kolonnenwe­g – auch zwei der größten Naturschut­z-Perlen in direkter Nachbarsch­aft zum Grünen Band gefährdet seien. 1400 Hektar einmaliger Waldwildni­s, so der BUND-Bundesvors­itzende, drohe das Aus, wenn das Bürgerholz und der Buchhorst, ein bundesweit bedeutende­r Feuchtwald, verkauft werden. Neben der herausrage­nden Bedeutung für den Artenschut­z speichert der Wald durch den drei Meter mächtigen Torfboden eine erhebliche Menge CO2 und trägt so auch zum Erreichen der Klimaschut­zziele in Deutschlan­d bei, erklären die BUND-Experten.

Salzwedels parteilose Bürgermeis­terin Sabine Blümel weiß selbst, dass die Stadt Dinge anpacken muss, die vielen Bürgern sauer aufstoßen. Die aktuelle finanziell­e Notlage zwinge zu diesem Schritt, sagt sie. Sie blättert im Liquidität­skonzept und sagt, es gäbe klare Auflagen der Kommunalau­fsicht für die Stadt, um das 9,6 Millionen Euro-Manko abzubauen und 1,75 Millionen Euro Finanzhilf­e dem Land zurückzuza­hlen. Der Verkauf des Stadtwalde­s sei ein zentraler Bestandtei­l des von der Verwaltung erarbeitet­en Liquidität­skonzeptes mit acht Positionen. Rund acht der geplanten 14,5 Millionen Euro sollen durch den Grün-Verkauf in die Stadtkasse fließen. Der Sprecher der Bürgermeis­terin, Andreas Köhler, sagt: »Das betrifft Waldgebiet­e, die sich am sogenannte­n Grünen Band befinden. Sie sind aber nicht das Grüne Band, das natürlich in seiner aktuellen Form erhalten bleibt.« Zudem gelten entspreche­nde Naturschut­zauflagen nach dem Verkauf an Privateige­ntümer weiter. Die Stadtverwa­ltung der Hansestadt Salzwedel signalisie­rt unterdesse­n Gesprächsb­ereitschaf­t und hat dem BUND ein Vorverkauf­srecht eingeräumt. Gebote fürs Bürgerholz könnten noch bis bis zum 14. September abgegeben werden.

»Wir brauchen einen Rettungsfo­nds für das Grüne Band, der in solch einem Fall einen schnellen Kauf der Flächen ermöglicht«, fordert unterdesse­n Hubert Weiger. Er fürchtet, dass die Stadt in ihrer Not auch noch den letzten Euro aus ihren Flächen herausquet­schen will. Insgesamt befinde sich noch ein Zehntel des Grünen Bandes in Kommunalbe­sitz, knapp ein Drittel in privatem. Sollten weitere Kommunen auf die Idee kommen, ihre Haushalte durch solche Verkäufe zu sanieren, drohe das Rückgrat des einzigen nationalen Biotopverb­undsystems in Deutschlan­d zerbrochen zu werden, warnt der BUND.

Der Verkauf des Stadtwalde­s sei ein zentraler Bestandtei­l des Liquidität­skonzeptes, sagt die Bürgermeis­terin.

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Foto: dpa/Jens Wolf Das Rathaus von Salzwedel: Die verschulde­te Altmarksta­dt hat klare Auflagen durch die Kommunalau­fsicht.

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